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Naumann 65 Grundplatte gebrochen

Verfasst: Freitag 10. September 2021, 20:12
von Ariadnefaden
Hallo allerseits,

ich bräuchte mal (wieder) Euren Rat. Um Zubehör für meine Naumann 70 zu haben, hatte ich in eine Naumann 65 investiert, welche mit viel Zubehör im Angebot war.

Beim Versand isr die Grundplatte gebrochen, und die Welle, die den Greifer antreibt, hat auch einen -kleinen- Treffer. Es lässt sich alles bewegen, aber das Bruchstück bewegt sich etwas, wenn man es loslässt. Wenn man es in der Ursprungsposition festhält, bewegt sich immer noch alles, aber nicht leichtgängig.

So, und nun…?

Ich hadere mit mir- einerseits habe ich die Maschine eigentlich nur wegen des Zubehörs gekauft, andererseits ist sie einfach schöner als die 70… und Ihr wisst ja, wie das mit dem Näma-Virus ist.

Es gibt 3 Möglichkeiten. Die erste (wahrscheinlich sinnvollste): Alles Brauchbare aus der 65 ausbauen, und die funktionale 70 weiterbetreiben, und sich über das Zubehör freuen. Die 70ger ist ja ne gute Maschine…, Platz ist rar, und eigentlich sollte irgendwann lieber noch mal ein Zierstichwunder her. Die Zweite: Die vorhandene 65 wieder zum Laufen bringen. Die Dritte: Eine neue 65 suchen, und die alte ausschlachten und das Chassis verschrotten (…also Möglichkeit 1 mit ner weiteren 65ger).

Ich hab ja noch die Singer 206, und bei Möglichkeit 3 hätte ich dann 3 funktionale Maschinen, die eigentlich alle das Gleiche können…wie gesagt, Stichwort Platz und „Zierstichwunder“….

Was würdet Ihr machen?

Re: Naumann 65 Grundplatte gebrochen

Verfasst: Freitag 10. September 2021, 20:20
von inch
Zuerst einmal freut es mich,das du das Gesuchte ergattern konntest smile
Der Transportschaden ist natürlich ärgerlich. Da die Naumann 65 nicht sooo selten ist,würde ich alles Wichtige abbauen und den Rest verschrotten. Die nächste Naumann 65 kommt bestimmt...,manchmal bekommt man sie fast wie im Neuzustand.

Re: Naumann 65 Grundplatte gebrochen

Verfasst: Freitag 10. September 2021, 21:25
von Ariadnefaden
Ja, billig war der Spass nicht, aber das Zubehör ist top. Vollständiger Satz Lochstickerei-Platten (ok, ob ich das jemals mache…aber schön es zu haben!), und Biesenausstattung auch fast komplett (Nadelhalter für zwei Nadeln mit verstellbarem Abstand, Biesenfüsse, Biesenfinger (2 von 3)…). Dazu noch ca. 30 Nadeln (wobei nicht alle für diese Maschine sind), ein neuwertiger Treibriemen, originale Bedienungsanleitung und noch Kleinkram (Spulen, „übliche“ Füsse…)

Wenn ich das alles einzeln erjagt hätte, wäre ich auch gut Geld losgeworden… aber vor allem der verstellbare Doppelnadelhalter ist ganz grossartig.

Tja, und eigentlich eine Top-Maschine, rostfrei, gut laufend… -gewesen.

Re: Naumann 65 Grundplatte gebrochen

Verfasst: Freitag 10. September 2021, 21:30
von inch
Hier wäre ein schöner Ersatz:
https://www.ebay-kleinanzeigen.de/s-anz ... 9-240-3373
"(ok, ob ich das jemals mache…aber schön es zu haben!)" - das kommt mir irgendwie bekannt vor biggrin

Re: Naumann 65 Grundplatte gebrochen

Verfasst: Freitag 10. September 2021, 21:46
von Ariadnefaden
...hier ja auch, und preislich echt interessant:

https://www.ebay-kleinanzeigen.de/s-anz ... 2-250-2218

Nur wohne ich zwischen Darmstadt und Heidelberg, da komme ich weder nach Sachsen-Anhalt noch nach Berlin... Naja, ich schlaf mal ein paar Nächte drüber. Soooo schnell werden die 65ger ja nicht aussterben.

Re: Naumann 65 Grundplatte gebrochen

Verfasst: Sonntag 12. September 2021, 21:59
von Flickflak
Ich hoffe auf Hilfe bei der Einschätzung des Naumann 65.

Wenn ich Nähmaschinenverzeichnis lese, gibt es viel Lob für Naumann 65. Außerdem habe ich an anderer Stelle ein bisschen gelesen und ein paar Videos auf Youtube gesehen. Die Maschine hat einen "guten" Klang und es ist, als würde sie sagen: "Ich kann diese Aufgabe problemlos bewältigen".

Ich glaube, die Maschine ist außerhalb Deutschlands und Osteuropas nicht so bekannt. In Dänemark steht fast immer ein gebrauchter Pfaff 130 zum Verkauf, aber einen Naumann 65 habe ich noch nie gesehen.

Verdient Naumann 65 so viel Lob? Können Ersatzteile schwierig sein?

Re: Naumann 65 Grundplatte gebrochen

Verfasst: Sonntag 12. September 2021, 22:10
von Wabbe
Jüngst habe ich eine Naumann 44 vom Sperrmüll mitgenommen . . . was die Leute so wegschmeißen . . .

Re: Naumann 65 Grundplatte gebrochen

Verfasst: Sonntag 12. September 2021, 22:51
von inch
Flickflak hat geschrieben: Sonntag 12. September 2021, 21:59 Ich glaube, die Maschine ist außerhalb Deutschlands und Osteuropas nicht so bekannt. In Dänemark steht fast immer ein gebrauchter Pfaff 130 zum Verkauf, aber einen Naumann 65 habe ich noch nie gesehen.
Verdient Naumann 65 so viel Lob? Können Ersatzteile schwierig sein?
Die Naumann 65 wurde Ende der 30iger Jahre entwickelt und dann nach Ende des WWII in Dresden im später verstaatlichten "Naumann"-Werk weitergebaut. Meiner Meinung nach verdient sie das Lob,sie läuft sehr weich und kraftvoll und ist mit der Pfaff 138 zu vergleichen. Wegen Ersatzteilen ist es immer gut,nach einer zweiten Maschine Ausschau zu halten.

Re: Naumann 65 Grundplatte gebrochen

Verfasst: Montag 13. September 2021, 11:53
von Ariadnefaden
Ganz ehrlich: Es hat einen Grund, warum ich wegen der Naumann 65 so jammere. Ich habe die 70 (das ist das technisch sehr ähnliche Nachfolgemodell), und ich finde sie prima. Näht vor allem auch Jeans etc. (ich nutze sie zum Hosenkürzen…), am Wochenende habe ich den Puppenwagen repariert (neue Gurte über mehrere Stofflagen…)- das Nahtbild ist top. Sie ist super einfach zu bedienen, und läuft einfach. Selbst als Anfänger komme ich prima damit klar.

Mechanik: Sie surrt vor sich hin. Kein Rattern, Klapoern, Knarren. Die Mechanik hat keine Plastikteile, und keine Schnurketten - da kann eigentlich bei guter Pflege kaum was kaputtgehen.

Re: Naumann 65 Grundplatte gebrochen

Verfasst: Montag 13. September 2021, 12:41
von Ariadnefaden
Die Naumann-Nähmaschinen wurden in relativ grossen Stückzahlen in Dresden nach dem Krieg produziert, und zwar in einem Werk, welches auch Schreibmaschinen herstellte und sich mit "Feinmechanik" wirklich auskannte. Dresden war ein Zentrum der Feinmechanik-Industrie, und man konnte relativ leicht fähiges Personal finden.

Nach dem Krieg war die Situation in der DDR auch etwas besonders- für Reparationen wurde viel in die UDSSR abtransportiert. Es bestand also einerseits ein riesiger Bedarf am Neuaufbau (Handwerker, Schneidergewerbe) als auch an privaten "Neuanschaffungen". Viele Leute hatten alles verloren. Nähmaschinen waren in ihrem Bereich quasi "Hilfe zur Selbsthilfe", um wieder "auf die Beine zu kommen", und bis 1989 war eine Nähmaschine ein echt wichtiges Produkt. Auch wenn man sich das nicht vorstellen kann: Man konnte nicht einfach immer überall passende Klamotten kaufen! Von Bettwäsche, Tischwäsche oder Gardinen ganz zu schweigen. Das war -wenn auch in weniger ausgeprägter Form- noch bis 1989 so.

Übrigens konnte man auch keine Nähmaschine einfach so kaufen. Meine Mutter hatte sich eine gewünscht, aber es gab keine zu kaufen. Meine Eltern fuhren von Dresden nach Berlin, um einen Plattenspieler zu kaufen (sie hatten gehört, dass in einer bestimmten Woche in einem bestimmten Laden welche vorrätig sein sollten). In Berlin angekommen, gab es keine Plattenspieler mehr, aber in der Nähe wurden zufällig gerade Nähmaschinen geliefert. Also haben sie -überglücklich- eine der wenigen Nähmaschinen kaufen können. Das klingt absolut irreal, aber so war das damals mit Allem. Ski, Kühlschränke, Musikinstrumente-nicht mal eine Blockflöte gab es zu kaufen. Daher haben im Osten Deutschlands auch so viele alte Maschinen überlebt (die Maschine aus Berlin nutzt meine Mutter immer noch).

Zurück zur Naumann 65:
Die Möglichkeit, neue Maschinen "von Grund auf" neu zu entwickeln waren nach dem Krieg begrenzt, konkurrierende Firmen gab es nicht, und was gebaut wurde, entschied am Anfang "die Ausgangslage" (was war eigentlich möglich mit dem, was noch da war), und später die Partei (was wird gebraucht), nicht der Markt. Und da waren Nähmaschinen vielleicht wichtig, aber eben nicht eine ganze Modellpalette, sondern eben "die Nähmaschine". Denn es musste ja noch "das Fahrrad", "die Schreibmaschine", "das Auto" etc. -also alles, was man irgendwie brauchte, um das Leben wieder zu starten- wieder produziert werden.

Also baute man erstmal -in relativ grossen Stückzahlen- eine Maschine, die sowohl für den Haushalt als auch einigermassen für das Gewerbe geeignet war. Damit konnte man sich erstmal "auf ein Modell" fokussieren, und zumindest ein Nähmaschinenwerk als staatlichen Betrieb wieder aufbauen. Die Singer-Werke in Wittenberge waren ja -zumindest teilweise- demontiert. Später lief auch dort die Produktion wieder an, und dann gab es auch "reine Haushaltsmachinen" samt Zierstichen und so.

Dieses "Universalmodell" war die Naumann 65/70. Die Langversion der 70, die 170, war dann später eine "echte" Industriemaschine, die aber -soweit ich weiss- der 70 recht ähnlich ist. Die Naumann 65/70 ist also eine Haushaltsnähmaschine in Gewerbequalität, die tatsächlich auch für das Gewerbe gedacht war, an dieses ausgeliefert und dort jahrzehntelang genutzt wurde. Entsprechend ist ihre Qualität. Es ist aber keine schwere Ledernähmaschine, eine Sattlermaschine ist es nicht, sondern sie war für Schneidereien gedacht. Dafür wurde sie mit verschiedenen Zubehörsets geliefert, die aber alle nicht die technische Raffinesse und Genialität z.B. der alten Singer-Apparate aufweisen. Es ist nur die Grundausstattung an Füsschen, Stickplatten, Biesenset etc., das, was man am Nötigsten brauchte. Es ist auch keine Maschine mit vielen "Spielereien"- Geradstich, Zickzack, Vorwärts/Rückwärts. Das war's- aber das eben in Top-Qualität.

Zum Glück ist diese Qualität (noch?) nicht so bekannt, im Ausland kennt man diese Maschinen kaum. Und auch hierzulande ist der Schriftzug "VEB..." eher ein Makel, denn der wird von Vielen mit DDR-Mangelwirtschaft und schlechter Qualität assoziiert. Wegen der Mangelwirtschaft wurden aber viele dieser alten Naumanns recht gut gepflegt, und manchmal sehen noch fast wie neu aus (die sind dann natürlich auch teurer).

Es gibt sicher so einige vergleichbar gute und qualitativ ebenbürtige Maschinen aus dieser Zeit, aber für mich als (Exil-) Dresdner sind die alten Naumanns nicht nur tolle Maschinen, sondern auch ein Stück Stadt- und Zeitgeschichte.