Selbernähen - Beweggründe und Stellenwert

Für ? Na für witzigen Kram, wieder den tierischen Ernst!
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postph
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Selbernähen - Beweggründe und Stellenwert

#1 Beitrag von postph »

Die folgenden Beiträge wurden aus dem Thread Vom Sammeln zur Sucht? Bestandsaufnahme und Strategien ausgegliedert.
Det


Bei mir besteht momentan keine Sammelwut, aber ich kann die geschilderten Beweggründe gut verstehen.

Ich finde es sehr schade, dass Nähen als Hobby nicht so hoch im Kurs steht. Sicher gibt es dafür Gründe, die voneinander abhängen

- Schlechte Qualität von gekauften Kleidungsstücken macht eine Reparatur nicht sinnvoll
- Gute Stoffe und Garn in hoher Qualität zu finden, ist nicht einfach
- Handarbeit wird an Schulen oft nicht unterrichtet
- Den Beruf des Nähmaschinen Mechanikers gibt es nicht mehr
- Gute Fachliteratur findet man nur im Antiquariat oder hier im Forum.
- Mit modernen Maschinen zu arbeiten, die nach wenigen Jahren defekt gehen, macht wenig Spaß
- Eine historische Maschine ist qualitativ deutlich besser, aber meist bedarf es etwas Interesse und handwerkliche Fähigkeiten, um sie optisch und funktionell wieder herzustellen

In der Folge enden diese großartigen Maschinen als Deko, in Sammlungen, bei sozialen Projekten oder auf dem Sperrmüll.

Das ist zumindest mein subjektiver Eindruck von der Problematik
Vielen Dank und Grüße
Philipp

gelöschter User N

Re: Vom Sammeln zur Sucht? Bestandsaufnahme und Strategien

#2 Beitrag von gelöschter User N »

Ei ! fein das Du den Faden wieder aufwärmst.

Das Nähen "nicht so hoch im Kurs steht" ist mit Sicherheit der Grund dafür, dass Du sogar spitzenmäßig gute Nhmaschinen über 4 Wochen lang als "zu verschenken" in den Kleinanzeigen siehst.

hat auch folgenden Grund:

Das Selber Nähen klappt nicht auf Anhieb. Schneider ist ein Handwerksberuf mit mehrjähriger Lehrzeit. light
Wer mal eben eine Nähmaschine aus dem Regal zieht und loslegt, wird sich kaum mit dem zusammengestümperten Stück auf die Straße trauen. Und dabei ist es egal, ob man die 79,90 Euro Plastik Kiste vom Discounter zwischen dem Gemüse von der Europalette geholt hat, eine modernen Nähcomputer für 4.999,- € ( man kann natürlich auch 16.999 € ausgeben)
oder eine Pfaff 260, Bernina 217 oder watt weiß ich für ein Nobelteil aus der Vergangenheit vor sich stehen hat... Man muss auch selber zuschneiden und mit jeder Maschine auch selber nähen können light

Die Qualität der Nähmaschine verbessert nicht meine Nähkünste / hebt meine Nähküste nicht an.

Also trägt man - nach aussen sichtbar - seine selbstgenähten Klammotten mit den dilletantischen Nähten in der Öffentlichkeit zur Schau biggrin
So viel Selbstbewusstsein hat (ausser mir) eigentlich kaum jemand angel

Darum nähen die Leute heimlich und der Frust führt dazu, dass sie schnell wieder damit aufhören, alles in die Eche werfen und dann steht in der Anzeige die Maschine wurde kaum genutzt / hab von nähen selber keine Ahnung usw... .

claude
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Re: Vom Sammeln zur Sucht? Bestandsaufnahme und Strategien

#3 Beitrag von claude »

Mit dem Aufwand, den Du für Eure Familien-Maschine getrieben hast, hätte jemand anders bequem zwei Dutzend Maschinen kaufen und wieder flott machen können. Da bist Du nochmal glimpflich davongekommen ;-)

Aber zu Deinen Punkten, weshalb Nähen zu einem marginalen Hobby verkommen ist:
  1. Nicht nur die Qualität, auch der Preis von fast fashion lassen selber nähen unwirtschaftlich erscheinen. Wenn es bei kik T-shirts für 1,99€ gibt, wäre beim selbernähen schon das Markengarn teurer, vom Stoff ganz zu schweigen.
  2. In einem deutlich kleineren Markt schwindet die Angebotsvielfalt, Kurzwaren-Ladengeschäfte sind praktisch komplett ausgestorben, es sei denn, sie verkaufen Nähmaschinen, bieten Kurse an etc.
  3. Siehe Punkt 1, wenn es gesellschaftlich nicht mehr als notwendig oder zumindest sehr nützlich empfunden wird, verschwindet es natürlich auch vom Lehrplan.
  4. Nähmaschinen-Mechaniker sind selten geworden, weil es unrentabel ist, einen Plaste-Bomber aus der 99€-Klasse zu reparieren, ja auch nur warten zu lassen. Da wird drauf genäht, bis er kaputt ist und dann gibt's nen neuen. Die hohen Lohnnebenkosten bzw. Belastungen Selbstständiger sind da natürlich auch nicht hilfreich, aber nicht die primäre Ursache.
  5. Siehe Punkte 2 bis 4
  6. Viele wissen es einfach nicht besser und denken sich, neu ist besser als gebraucht. Daß Haushalts-Nähmaschinen bis mindestens Ende der sechziger für die Ewigkeit gebaute Investitionsgüter waren, ist außerhalb von Insider-Kreisen komplett aus dem kollektiven Bewusstsein verschwunden. Auch die inflationskorrigierten Preise von damals zwischen 1500 und 2000€ für diese solide Qualität hat heute niemand mehr in Erinnerung.
  7. Vor allem fehlen jenseits dieses Forums niedrigschwellige Angebote, wie man Omis Nähmaschine richtig einfädelt und elementar wartet.
Von den Abermillionen Nähmaschinen, die früher en masse produziert wurden, landet ein kontinuierlicher Strom in den zu verschenken-Kleinanzeigen. Was davon keinen Zickzack kann oder unmotorisiert ist, landet am Ende vermutlich überwiegend auf dem Wertstoffhof. In den Großstädten ist es schon weitgehend vorbei mit schönen alten Maschinen, denn dort fehlt Keller- und Dachboden-Lagerraum.

Andererseits gibt es für einige wenige Modelle einen Markt mit absurd anmutenden Preisen, wie etwa die Singer Featherweights und in geringerem Umfang die Pfaff Freiarm-Klassiker 330 und 360.

postph
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Re: Vom Sammeln zur Sucht? Bestandsaufnahme und Strategien

#4 Beitrag von postph »

Nopi hat geschrieben: Donnerstag 11. Mai 2023, 15:17
Das Selber Nähen klappt nicht auf Anhieb. Schneider ist ein Handwerksberuf mit mehrjähriger Lehrzeit. light
Das ist ein wichtiger Punkt. Unrealistische bzw. zu hoch gesteckte Ziele führen zu Frust.

Ich habe mir das Buch „Schneidere Selbst“ besorgt und beginne mit Stücken, die meinem aktuellen Kenntnisstand entsprechen. So macht es mir auch Spaß.

Auf jeden Fall habe ich großen Respekt vor der Geduld und den Fertigkeiten, die ein guter Schneider/in haben muss und gleichzeitig staune ich über die niedrigen Preise, die in den Änderungsschneidereien aufgerufen werden. Umgerechnet auf den Zeitaufwand kann sich das kaum lohnen.
Vielen Dank und Grüße
Philipp

willi_the_poo
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Re: Vom Sammeln zur Sucht? Bestandsaufnahme und Strategien

#5 Beitrag von willi_the_poo »

Nopi hat geschrieben: Donnerstag 11. Mai 2023, 15:17 Die Qualität der Nähmaschine verbessert nicht meine Nähkünste / hebt meine Nähküste nicht an.
Das mag ja stimmen. Aber mit einem feinen Maschinchen macht es einfach mehr Spaß - und das macht sich im Ergebnis schon bemerkbar. Zumindest bei mir.
Nopi hat geschrieben: Donnerstag 11. Mai 2023, 15:17 Also trägt man - nach aussen sichtbar - seine selbstgenähten Klammotten mit den dilletantischen Nähten in der Öffentlichkeit zur Schau biggrin
So viel Selbstbewusstsein hat (ausser mir) eigentlich kaum jemand angel
Ich habe damit auch kein Problem. Ich verweise gerne darauf, dass ich Rheinländer bin. Und die nehmen es eben nicht so genau. (Meine Schweizer Nählehrerin findet das gar nicht lustig. :lol27: ) Außerdem muss man ja nicht unbedingt neue Klamotten nähen, sondern hat ein super Instrument zur Hand, Klamotten auszubessern und möglichst lange zu tragen. Das ist sogar doppelt nachhaltig: Man nutzt eine bereits existierende Maschine statt einer neu angeschafften und braucht weniger neue Klamotten.

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Re: Vom Sammeln zur Sucht? Bestandsaufnahme und Strategien

#6 Beitrag von Inselrose »

Ich finde Eure Gründe alle treffend. Hinzu kommt aber auch, dass man alles kaufen kann was das Herz begehrt. In den ca.20 Jahren nach dem Krieg war noch nicht alles wieder für Jeden zu haben. Also wurde es selber hergestellt.
Und dann wurde es schick, es sich leisten zu können, sich die Dinge zu kaufen. Und nicht mehr abends zu sitzen und für die ganze Familie zu nähen. Mit den Strickmaschinen ist es ganz genauso.

Heute ist es Hobby zum Schoppen zu gehen.

Ich selber hatte eine Mutter und eine Großmutter die selber genäht haben. Somit wollte ich auch, und fing Recht früh an , ab und zu an der Maschine zu sitzen. Meine Söhne haben kein Interesse wink und Töchter habe ich nicht.
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Re: Vom Sammeln zur Sucht? Bestandsaufnahme und Strategien

#7 Beitrag von dieter kohl »

serv

dann achte auf die Schwiegertöchter wink
gruß dieter
der mechaniker

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det
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Re: Vom Sammeln zur Sucht? Bestandsaufnahme und Strategien

#8 Beitrag von det »

Hallo,
ich bin ja meilenweit entfernt von Schneidermeisterei, aber selbst mit meinen dilettantischen Nähfähigkeiten kann man schon das ein oder andere sinnvolle machen: Hosen kürzen beispielsweise, ohne geht es bei mir fast nicht. Tischdecken genau passend zum jeweiligen Tisch nähen - ist nicht wirklich schwer, aber sieht besser aus als gekaufte, die nur so ungefähr passen. Die individuelle Werkzeugtasche und immer mal wieder Flickarbeiten und so, da kommt auf die Dauer einiges zusammen und spart dabei auch etwas Geld - was dann natürlich sofort wieder in neue Maschinen investiert wurde, aber damit ist ja zur Zeit Schluss angel

Gruß
Detlef
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Ostrod
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Re: Vom Sammeln zur Sucht? Bestandsaufnahme und Strategien

#9 Beitrag von Ostrod »

Ich habe früh angefangen. Oft war ich bei Oma. Die strickte, häkelte und nähte. Aus lauter Langeweile hab ich mir das alles zeigen lassen. Mutter hatte auch ne Veritas und an die durfte ich auch nach viel Gebettel und Einweisung.
Ich strickte Jacken für meinen Teddy, häkelte Topflappen und knüpfte Kissenbezüge...

Dann hab ich Polsterer gelernt und mir ganz schnell auch Klamotten genäht. Mein Highlight war der Schnitt einer unrettbaren 501, aus dem ich alles machte. Von Leder bis Miederatlas, alles dabei, was im Regal lag. Für eine Hose brauchte ich nur noch 1,5 Stunden. biggrin
Ein T-Hemd nähte ich mir mal aus dem schwarzen Streifen einer ausgemusterten DDR-Fahne und OP-Hosen brachte ich in Form.

Nach der Wende war damit schlagartig ein Ende und heute trag ich nur noch Zunfthosen.

Gruß, Lukas
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Inselrose
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Re: Vom Sammeln zur Sucht? Bestandsaufnahme und Strategien

#10 Beitrag von Inselrose »

dieter kohl hat geschrieben: Donnerstag 11. Mai 2023, 19:22 serv

dann achte auf die Schwiegertöchter wink
Ich habe schon zart vorgefühlt biggrin
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