Nähmaschinen für die Ewigkeit - eine Gedankensammlung

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GerdK
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Re: Nähmaschinen für die Ewigkeit - eine Gedankensammlung

#11 Beitrag von GerdK »

Felix W hat geschrieben: Mittwoch 21. August 2019, 11:09Sicher kann man durch austauschen von Teilen die Maschine reparieren aber ist das dann die Nähmaschine die von der Fabrik „ausgegeben“ wurde oder eine andere?
Ja, das Ganze ist ein nettes philosophisches Thema. Unsere Körperzellen sind ja auch nicht mehr dieselben, mit denen wir geboren wurden, sondern sie wurden schon dutzendmal ausgetauscht und damit erneuert.
Die Natur ist da ein recht guter Lehrmeister. Natürlich wäre es der Natur möglich gewesen, unsterbliche Geschöpfe zu "erschaffen". Nur scheint das keinen Sinn zu ergeben, denn Evolution und damit Fortschritt und Anpassung würde damit kaum funktionieren. Das älteste Lebewesen ist irgendein Schwamm auf dem Grunde des Meeres, angeblich 10.000 Jahre alt. Sein Stoffwechsel ist so langsam, dass man ihn kaum messen kann. Ein Grönlandhai kann angeblich 500 Jahre alt werden, aber der ganze Rest der Lebewesen liegt bei maximal 200 Jahren. Mehr Lebenszeit scheint also keinen Sinn zu machen.

Und bei unseren "Schöpfungen", den Maschinen? Ich habe als junger Mann zwei VW Käfer gefahren. Aus heutiger Sicht waren die Dinger ein Horror: Die 6-Volt Batterie baute ich im Winter abends aus und morgens wieder ein, damit sie warm blieb, manchmal sprang er morgens tatsächlich an. Die Trommelbremsen waren unterirdisch und wirkten kaum. Er hatte keinen Kat und stank. Usw. usf. Würde ich diesen Wagen (vorausgesetzt, er wäre "ewig haltbar") heute noch fahren wollen? Nein. Ich bin froh, dass ich jetzt ein modernes Auto habe.

Und so ist es wohl auch bei Nähmaschinen: Es macht einen höllischen Spaß, diese alten Semester wieder zum Laufen zu bekommen, aber man sollte den Fortschritt nicht unterschätzen. Obwohl meine Frau (die viel näht) überwiegend nur Geradstich und Zickzack braucht mit ihrer PFAFF 6122, würde ich sie wohl nicht zu einer "IDEAL Voll ZickZack DeLuxe" überreden können. Obwohl die wirklich - mit ihrem linksständigen Greifer, völlig plastik- und zahnradfrei - der Unsterblichkeit ziemlich nahe kommt bei gutem Ölen. Meistens rattert übrigens die Overlock, die wird am Häufigsten gebraucht.

Viele Grüße, Gerd

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nicole.boening
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Re: Nähmaschinen für die Ewigkeit - eine Gedankensammlung

#12 Beitrag von nicole.boening »

Da kenne ich aber auch gerade in Bezug auf Nähmaschinen ganz andere Geschichten. Zum einen kann man die alten Nähmaschinen nicht mit alten VW Käfern vergleichen (der meiner Eltern hat nachts einfach mal die Motorhaube geöffnet oder ist selbstständig auf die Straße gefahren). Zum anderen war die Zuverlässigkeit einer alten Nähmaschine eben genau das Gegenteil - sie liefen und liefen. Zur Not haben sie sogar verziehen, wenn man sich mal nicht ganz so um sie gekümmert hat.

Viele Nutzer moderner Maschinen kommen wieder zurück zu den alten, weil die neumodischen eben nicht sie Sicherheit geben und komisch klingen. Abgesehen davon ,dass viele den ganzen Firlefanz nicht brauchen, den sie bieten. Bei den neuen Maschinen, die ich nähen durfte, hatte ich immer das Gefühl, ich müsste mich bei der Maschine entschuldigen - weil sie so ächzte und so zerbrechlich wirkte. Erst mit den alten habe ich wirklich verstanden wie Nähen überhaupt funktioniert.
Näh und schraub wie du dich fühlst.

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GerdK
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Re: Nähmaschinen für die Ewigkeit - eine Gedankensammlung

#13 Beitrag von GerdK »

nicole.boening hat geschrieben: Mittwoch 21. August 2019, 14:00Viele Nutzer moderner Maschinen kommen wieder zurück zu den alten, weil die neumodischen eben nicht sie Sicherheit geben und komisch klingen. Abgesehen davon ,dass viele den ganzen Firlefanz nicht brauchen, den sie bieten. Bei den neuen Maschinen, die ich nähen durfte, hatte ich immer das Gefühl, ich müsste mich bei der Maschine entschuldigen - weil sie so ächzte und so zerbrechlich wirkte. Erst mit den alten habe ich wirklich verstanden wie Nähen überhaupt funktioniert.
Das hohe Gewicht der alten Maschinen ist natürlich segensreich für die Laufruhe, ganz klar. Also aus dem privaten Bereich kenne ich niemanden, der auf alte Maschinen gewechselt hat, aber im Profi- oder Semiprofibereich schon. Zum Beispiel war auf dem Handwerkermarkt auf Schloß Burg (der findet Anfang November dort immer statt) eine Schneiderin, die eine PFAFF 130 neben ihren Kleidern stehen hatte und sie auch benutzte (ich hatte sie gefragt). Allerdings auch eine neue PFAFF 1245 an einem Stand, an dem Ledertaschen verkauft wurden.

Dabei fällt mir ein: Ich habe noch eine PFAFF 31 im Tretgestell im Keller. Die aufzuarbeiten fehlt mir die Motivation, aber in den Tisch eine PFAFF 130 zu setzen und die betriebsbereit zu machen, wäre tatsächlich etwas, was mich reizen würde. Die sind ja recht billig zu bekommen, ich muss nur schauen, ob sie in den Tisch passen würde. Schau'n wir mal...

Viele Grüße, Gerd

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nicole.boening
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Re: Nähmaschinen für die Ewigkeit - eine Gedankensammlung

#14 Beitrag von nicole.boening »

Meistens sind die Maße einheitlich - und maximal wenige Korrekturen notwendig. Innerhalb einer Marke dürfte es passen (außer Singer - grins).
Schacka.
Ich habe Meister Noblesse oder Deluxe weiter gegeben. Die Nähenden waren dankbar und sehr verliebt. Kein Vergleich zu den neuen. Ich nähe ja selbst auch mit einer "neuen". Da muss ich fairerweise aber sagen, dass ich bei der die Geschwindigkeit stufenlos regulieren kann, die Nadel- und Füßchenstellung bei Stichende festlegen kann, die Maschine selbst den Faden abschneidet und sie einfach einen riesigen Stoffdurchgangsraum hat, 9 mm Stichbreite …. und und und das ist einfach ein geiles Geschoss … von der Monsterspule mal abgesehen. Trotzdem ist sie im Bezug auf Stichgenauigkeit und Regulierbarkeit bei schweren und fiddeligen Stoffen nicht so flexibel wie die alten Maschinen, auf denen ich megaengen Zickzack mit fast jedem Stoffnähen kann … und die Zuverlässigkeit der Komponenten kann natürlich auch nicht mithalten.
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Re: Nähmaschinen für die Ewigkeit - eine Gedankensammlung

#15 Beitrag von 314ter »

"Läuft wie 'ne Nähmaschine"
Glaube das wäre auf Basis vieler heutiger Nähmaschinen nicht unbedingt immer ein gutes Zeichen ;-)

Grüße, Peter...

@adler104: Ja ;-)

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Re: Nähmaschinen für die Ewigkeit - eine Gedankensammlung

#16 Beitrag von Manohara »

und jetzt der spirituelle Aspekt tongue :

Wir unterhalten uns immer wieder über die Möglichkeiten, wie die Welt durch menschenfreundliche Regeln besser gemacht werden könnte und wie die aussehen müssten.
Die "richtigen" Regeln und Gesetze nützen aber nur bedingt - wie man an vielen sozialistischen "Experimenten" sehen kann.
Die - für meinen Geschmack - menschenfreundlichen, sozialistischen Ideen werden in der Praxis auf längere Sicht immer durch Gier, Neid und Eifersucht abgewürgt.
Durch menschliche Eigenschaften, die wir alle in uns tragen.

Meine Überzeugung:
Es geht weniger um gute Regeln, als um gute Herzen.

... und da befinden wir uns auf einem Gebiet, dass jeder für sich klären kann. Wie oft tue ich Dinge, von denen ich weiß, dass sie für andere Menschen und die Umwelt nicht günstig sind?
Wie oft kaufe ich irgendwas, das für einen Hungerlohn und umweltmäßig ungünstig hergestellt wurde? - und es gibt 1000 ähnliche Handlungen, die wir garnicht richtig wahrnehmen.

Würde ich das tun, wenn mein Mitgefühl für Menschen und Umwelt wirklich lebendig wäre?
Ich bin der Überzeugung, dass "NeidGierundEifersucht" nicht durch Regeln, noch durch innere Disziplin verschwinden.

Seit ein paar Jahren ist in den Medien viel von Meditation die Rede ... nach meiner Einschätzung ist das der Schlüssel für ein offenes Herz.
Nicht das Bemühen um Menschlichkeit wirkt, sondern einfach Aufmerksamkeit und Ehrlichkeit, wie es die Übung "Meditation" empfiehlt und weil sich die Zweige dieser Übung immer weiter ausbreiten.

Das soll heißen: Nur durch Meditation bekommen wir wieder haltbare Nähmaschinen auf den Tisch!

:lol27:

... aber das ist ein anders Thema - gebe ich zu tongue

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Re: Nähmaschinen für die Ewigkeit - eine Gedankensammlung

#17 Beitrag von 314ter »

Die Sache mit Umweltbelastung/unmenschlichen Arbeitsbedingungen etc. ist heute - trotz vermeintlich leicht zugänglichen Informationen darüber - sehr komplex und für den "normalen" Verbraucher kaum zu überblicken.
Das war einfacher, wenn ich im Dorf zum Schmied um die Ecke gegangen bin und mein Obst direkt vom Bauern geholt habe (früher mal, heute weiß ich auch schon nicht mehr wo es her ist und was alles dran und drin ist...).

Ähnlich ist es mit Produkt-Qualität. Wie soll ich als Hersteller dem Endkunden mein Produkt schmackhaft machen? Über Preis und Eigenschaften (Features).
"Langlebigkeit" kann ich zwar hinschreiben, ob's zutrifft kann der Kunde aber vorab nicht (direkt) feststellen. Ob ein Unterfadenwächter dran ist jedoch sehr wohl.

Beispiel: Ich will/kann also 100€ für eine Nähmaschine ausgeben. Was tue ich ohne tieferes Fachwissen? Ich kaufe neu mit Gewährleistung und suche ggf. nach tollen Features aus...
Klar ist es für Leute wie "uns" mit entsprechender Fachkenntnis und etwas Zeit möglich für 100€ eine gute gebrauchte Maschine zu kaufen, die den fabrikneuen Schrott um viele Jahre überdauert und dabei ohne wirkliche Abstriche in der Funktionalität auch noch Spaß macht - aber der Normalverbraucher?

Heute würde solch eine robuste Basic-Maschine neu z.B. 500€ kosten und keiner kauft sie, weil man für das Geld woanders deutlich mehr Features bekommt, die teilweise das Arbeiten tatsächlich erleichtern können. Das ginge höchstens dann, wenn es die 100€ Dinger gar nicht gäbe. Ich glaube da kommen wir nicht mehr raus...

Grüße, Peter...

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Re: Nähmaschinen für die Ewigkeit - eine Gedankensammlung

#18 Beitrag von dieter kohl »

" … geiz ist geil … "

diese Mentalität geht mir aber sowas von gegen den Strich
gruß dieter
der mechaniker

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Husky01
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Re: Nähmaschinen für die Ewigkeit - eine Gedankensammlung

#19 Beitrag von Husky01 »

dieter kohl hat geschrieben: Donnerstag 22. August 2019, 10:45 " … geiz ist geil … "

diese Mentalität geht mir aber sowas von gegen den Strich
mx
Hallo Dieter,

ich glaube da sprichst Du aus tiefster Seele von ganz vielen Menschen....
...mir geht es genauso.
Mit besten Grüssen aus der Hauptstadt
Uwe K
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nicole.boening
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Re: Nähmaschinen für die Ewigkeit - eine Gedankensammlung

#20 Beitrag von nicole.boening »

Ich habe damit auch meine Probleme - dieser Spruch müsste allerdings "billig ist geil" heißen- nicht jeder der billig kauft ist auch geizig. Unreflektiert günstige Billigprodukte zu kaufen ist böse für die Menschen selbst und die Umwelt. Ich denke mit etwas Haushalten und dem Bewusstsein, dass man nicht jedem Trend hinterher laufen muss, kann jeder sich anders verhalten. Aber wir sind da viel zu gesteuert von der Werbung und allgemeinen Verhaltensmustern. Jeder, der die Kraft hat, sich daraus zu denken, verdient Respekt.

Das man sich am Ende selbst schadet, sieht man auch ab der Nähmaschinenhistorie. Die Leute haben wie wild Günstigmaschinen gekauft und wundern auch dann, wo denn die ganzen Arbeitsplätze hin sind.

Das gleiche gilt für Lebensmittel - immer billiger kaufen und sich dann wundern, dass die Verkäufer und Hersteller und die Umwelt drunter leiden.
Näh und schraub wie du dich fühlst.

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https://youtu.be/R-8Pf68mo90

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