Nopi hat geschrieben: ↑Mittwoch 9. November 2022, 20:47
Hallo Berit,
wegen meiner Singer Recherchen in den letzten Tagen bin ich auf diese Seiten gestoßen:
https://sewing-machines.blogspot.com/20 ... otten.html
https://sewingiscool.com/singer-306k-review/
Dort wird die Singer 206k, 306k und 319k total verrissen. Ich bin mir nicht sicher, ob die Verfasser dieses vernichtenden Textes die Maschinen zuvor wirklich gereinigt eingestellt und gewartet haben.
Welchen subjektiven Eindruck hast Du vom Nähen auf einer Singer 319k im Vergleich zu Deinen anderen Maschinen?
Hallo Nopi,
die von Dir verlinkten Webseiten bemängeln einige Punkte, die auch hier angesprochen werden
http://possumjimandelizabeth.com/xhtml/ ... ng319.html
Definitiv war die Singer 319 wohl kein Verkaufsschlager - der kurze Produktionszeitraum von 1956-1961 (319 und 320) könnte auch dafür sprechen. Was mögen die wahren Gründe dafür sein?
Ich kann nicht glauben, dass die Sorge, die langen Haare der Näherinnen könnten in die Aufnahme für die fashion cams gelangen, ein Grund dafür ist. Lange Haare (und lange Fäden) können auch vom Handrad aufgewickelt werden. Wenn das so ein großes Sicherheitsrisiko gewesen wäre, dürften Nähmaschinen gar nicht verwendet werden
Auf der von mir verlinkten Seite wird auch spekuliert, dass die vielen Knöpfe abschreckend gewirkt haben könnten. Ich vermute, dass die Maschine einfach sehr sehr teuer war und deshalb kein Verkaufsschlager wurde.
Nun zu meiner eigenen Einschätzung der Maschine und den angesprochenen Mängeln auf den verlinkten Webseiten.
1. Der Motor sei sehr laut
Das kann ich nicht bestätigen. Ich kann hier keine Lautstärkenmessungen vornehmen, aber im Vergleich zu meinen ELTE PE30/35 Motoren fällt der Singer Motor nicht negativ auf.
2. Die Haare oder Fäden wickeln sich um die Welle für die Cams oder andere offen liegende Mechanik
Bisher nicht. Aber bei ALLEN Maschinen, die ich z.B. für Afrika durchgesehen hatte, waren massenhaft Fäden um die Hauptwelle hinter dem Handrad gewickelt.
3. Schlechte Bedienbarkeit
In Bezug auf die Einstellmöglichkeiten an der Maschine kann ich das nicht bestätigen. Ein Blick in die sehr einfach gehaltene BDA (die deutsche enthält nur Piktogramme) hilft beim Verständnis der "Klaviertasten" zur Steuerung der Sonderstiche. Alles andere ist selbsterklärend, wenn man schon öfter an einer Nähmaschine gesessen hat.
4. Die Maschine sei laut
Das finde ich nicht. Interessant, da die Autoren auf den von Nopi verlinkten Seiten schreiben, sie seien froh, dass Singer mit der Konstruktion der 400er Baureihe andere/bessere Wege gegangen sei. Hier haben wir dann die Slant shank Maschinen mit den per Schneckenrad betriebenen Motoren.
Wer sich einen solchen Motor schon mal angehört hat.... Diese Geräusche sind sehr gewöhnungsbedürftig!!
5. Das ungewöhnliche Nadelsystem
Hier stimme ich zu. Das ist definitiv ein Nachteil. Jedoch konnte ja gezeigt werden, wie diesem Umstand abgeholfen werden kann. Wer also die Singer 319 routinemäßig einsetzen möchte, besorgt sich eine 20U Spulenkapsel und dremelt den Schlitz hinein. Auch hier wieder interessant der Vergleich zu den von o.g. Autoren favorisierten Singer 400er Maschinen. Sie bemängeln das Nadelsystem der Singer 319 aber nicht das slant shank System der 400er und weiterer Baureihen. Da könnte man ja auch argumentieren, dass diese Maschinen besondere Füßchen benötigen.
6. Schlechte Zugänglichkeit der Spulenkapsel
Das ist korrekt, aber auch nicht schlechter, als bei allen anderen Nähmaschinen, bei denen der Greifer so angebracht ist. Ist die Maschine im Tisch eingelassen, so muss man sich ziemlich verbiegen, um die Kapsel einzusetzen, aber es wird vermutlich gehen, ohne die Maschine zu kippen und bei einiger Routine auch blind, denn es gibt ja keinen Grundplattenschieber, um das Ganze unter Sichtkontrolle vorzunehmen, wie z.B. bei Pfaff. Ist die Maschine im Sockel, muss sie nach hinten gekippt werden (wie bei fast allen anderen Maschinen, die in Sockeln untergebracht sind), um die Spule zu wechseln. Der fehlende Grundplattenschieber ist aber kein Alleinstellungsmerkmal der Singer 319. Die Singer 216 z.B. hat den auch nicht. Dies ist m.M.n. ein echter Nachteil aller Nähmaschinen, bei denen das so konstruiert ist. Hier muss ich unbedingt anmerken, wie gelungen ich die Konstruktion der Bernina 117 in diesem Punkt finde. Der hinten an der Maschine positionierte Greifer ist ausgesprochen gut ergonomisch zugänglich. Aber dies gilt wiederum nur für Tischmaschinen.
Ich habe auf meiner 319 noch keine größeren Projekte genäht, daher kann ich keinen wirklichen Vergleich zu meinen anderen Maschinen vornehmen. Beim Testen der Zierstiche und Ausführen kleinerer Arbeiten, konnte ich in Bezug auf das Nähverhalten aber keine Mängel feststellen. Die Maschine näht sehr sauber, die Zierstiche sehen toll aus. Sie kommt mit Billiggarn nicht so gut zurecht. Da hatte ich im ZZ Stichausssetzer. Spricht das jetzt gegen die Maschine oder gegen das Garn...
Allgemein habe ich festgestellt, dass alle meine Singer-Maschinen nicht so gut über dickere Nahtkreuzungen kommen (z.B. beim Quilten), wie die Pfaffs, wobei es bei Pfaff auch noch Unterschiede gibt. Am besten schlägt sich hier die Pfaff 30 (aber in dem Punkt sollte man Geradstichmaschinen wohl nicht mit ZZ-Maschinen vergleichen).
Es stimmt, dass sich die Welle der Zierstichcams die ganze Zeit dreht, auch wenn man nur geradeaus näht. Konstruktiv finde ich das nicht so gelungen, denn das ist unnötig rotierende Masse. Aber ist die Maschine deshalb gleich schrottreif und eine totale Fehlkonstruktion? Hier muss ich kurz einen Vergleich mit der Singer 216 vornehmen. Bei diesem Modell geht beim Nähen immer der Stichlagen-Stellhebel mit. Ich dachte zuerst, dass es an Verharzung liegt, aber alle Bemühungen das zu ändern, blieben fruchtlos. Ich habe in der Vergangenheit mehrere dieser Maschinen auf dem Tisch gehabt. Alle hatten den wackelnden Hebel. Dann habe ich mir YT Videos angeschaut. Und auch bei den dort gezeigten Maschinen, konnte man das sehen. Das ist also konstruktiv bedingt und DAS ist m.E. eine echte Fehlkonstruktion.
Aber weiter mit der 319:
Die außenliegende ZZ-Mechanik auf der Rückseite ist ein Staubfänger - wie meine Mutter sagen würde
Andererseits ist sie gut zugänglich, falls man da mal ran müsste. Im Vergleich zu meiner Pfaff 230, die ja ungefähr aus dem gleichen Zeitraum datiert, muss man aber sagen, dass Pfaff das mit dem zu öffnenden Deckel viel besser gelöst hat. Insgesamt kann man vielleicht festhalten, dass Singer mit der ZZ-Konstruktion anderen Herstellern wie Pfaff oder auch Mundlos hinterherhinkt (Mundlos hat die erste ZZ- Haushaltsmaschine bereits in den 1930ern konstruiert, wobei ich leider nicht beurteilen kann, wie gut die funktioniert, da ich noch nie eine hatte. Aber Mundlos hat m.E. nie Schrott konstruiert).
Auch was die Qualität der Gussteile angeht, finde ich Pfaff besser. Bei meiner 230 ist alles glatt und der Lack überall makellos aufgetragen. Bei der 319 ist da etwas Luft nach oben.
Für mich der größte Nachteil ist der Fußanlasser. Den finde ich absolut nicht gelungen mit dem kleinen Knopf zum Drücken. Das ist wirklich sehr gewöhnungsbedürftig und unergonomisch. Aber der wurde m.W. auch an anderen Singer-Maschinen aus dieser Ära verwendet. Merkwürdig, dass dieser Umstand aber in den verlinkten Abhandlungen überhaupt nicht erwähnt wird.
Wie ist nun mein Fazit?
Ich mag die Maschine vor allem optisch und finde die ganzen Hebelchen und die Bedienung derselben (hier spreche ich v.a. von den Klaviertasten) super. Die Zierstiche sind wunderschön und ich glaube hier wäre mein Haupteinsatzgebiet, wenn ich denn so oft Zierstiche anwenden würde.... Die Position der Zierstichcams vorne an der Maschine stört mich nicht. Das Wechseln könnte man umständlich finden, denn es muss erst der Knopf herausgedreht werden, die Scheibe eingesetzt und dann der Knopf wieder aufgeschraubt werden. Aber ich nähe ja nicht im Akkord. Ich finde diese Art der Bedienung irgendwie auch schön, weil man sich dabei so intensiv mit der Maschine befasst, dass alles andere - der ganze Alltag z.B. - ausgeblendet wird (u.a. nähe ich deshalb auch sehr gerne mit Fußwippe).
Alles in allem finde ich, dass die 319 eine sehr gute Maschine ist, aber in Deutschland überteuert angeboten wird, wahrscheinlich weil sie relativ selten ist.
Warum hat sie meine anderen Nähmaschinen nicht verdrängt im Routineeinsatz?
- Anfangs hatte ich Angst, dass sie Kratzer bekommt
deshalb durfte da auch niemand außer mir ran (und natürlich, damit die seltenen Nadeln nicht verschleißen - aber das ist nun kein Argument mehr)
- Derzeit nähe ich am liebsten ohne Strom
- Ich verwende für gerade Nähte am liebsten Geradstichmaschinen und benötige kaum ZZ
- Wenn ich ZZ oder Ziernähte nähen möchte, verwende ich die Maschine, die gerade am besten zugänglich ist und das ist meistens meine Pfaff 130 Coffeegrinder oder die 360. Selbst meine über alles geliebte Pfaff 230 hole ich dafür nicht extra hervor
- Ich habe zu viele Nähmaschinen, um sie alle regelmäßig zu nutzen (ich habe z.B. noch nie auf meiner Gritzner GU genäht - Asche auf mein Haupt - aber meine Freundin findet die toll und näht sehr gerne auf ihr)
- Ich bin definitiv im Team Pfaff und musste über Nopis Spruch neulich sehr lachen ("wer Singer kennt, kauft Pfaff")
Viele Grüße, Berit
Mundlos Victoria, Kl. 79M, 90, 99, Singer 15, 128, 66, 319K, 670G, Pfaff Kindernähmaschine, Pfaff A, B, 11, 30, 31, 103, 130, 145, 230, 260, 360 Automatic, 1211, Phoenix Automatic 283, Bernina 117-K