Neuerwerbung: Singer 99K-13 Stimmt das?

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GerdK
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Re: Neuerwerbung: Singer 99K-13 Stimmt das?

#41 Beitrag von GerdK »

Die Geschichte der Nähmaschinenfirmen nach 1945 ist tatsächlich ungeheuer spannend. Die Fa. PFAFF zum Beispiel hat da eine - bis heute - fast grauenhafte Geschichte hinter sich, mit mehreren Besitzerwechseln und mehreren Insolvenzen.
In den 60ern haben die Frauen wohl noch "ausreichend" selber genaäht, um die Produktion der Maschinen anzukurbeln, aber dann war Kleider kaufen billiger als (mühsam) selber nähen - und die NäMa-Fabriken gingen pleite. Siehe auch die Pleite von Rikkar 1982 in Japan, die zu den damals drei größten Pleiten in der japanischen Geschichte gehörte.
Nur BERNINA hat sich tapfer gehalten, zwar auch mit Produktion in Thailand, aber doch noch in Familienhand.
Wie gesagt, spannende Geschichte... smile

Viele Grüße, Gerd

hutzelbein
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Re:

#42 Beitrag von hutzelbein »

Hosenkürzer hat geschrieben:Hallo Hutzelbein,

Kannst Du da Quellen nennen?
Ja kann ich, muss ich aber alle erst suchen. Alles ist in den Englich zu lesen. Für den Anfang sollte das erstmal reichen:

https://www.quiltingroomwithmel.com/201 ... hines.html

https://www.quiltingboard.com/vintage-a ... 49247.html

Damit klar ist, dass ich mir das nicht aus den Fingern gesaugt habe.

Es gibt mehrere Link mit unterschiedlichen Tiefang, die ich als Anfänger relativ unvorbereitet verarbeiten musste. Die Links dorthin habe ich von amerikanischen Nähfreunden erhalten.

Die Geschichte ging etwa so:

Singer hat sich während der Kriegszeit aus amerikanischer Sicht falsch verhalten. Für alle Kriegsparteien hat Singer Waffen hergestellt, auch für die Nazis:

https://en.wikipedia.org/wiki/Singer_Corporation

Die amerikanische Regierung hat Singer deshalb dazu gezwungen, Patente nach Japan zu verkaufen. Das hat Singer nicht freiwillig getan. Enteignet wurde Singer allerdings auch nicht. Damit sollte die japanische Wirtschaft, die komplett zerbombt war, wieder aufgebaut werden. Im Gegenzug musste Japan Reparationszahlungen an die USA leisten. Diese wurden in Form ganzer Schiffsladungen von Nähmaschinen von den Japanern geleistet. Mit diesen Schiffsladungen haben die Amis den Weltmarkt mit Billignähmaschinen aus Japan überschwemmt. Auch deutsche Versandhäuser (Quelle, Neckermann) haben diese Billigmaschinen als Eigenmarken in ihren Katalogen aufgenommen. In USA lief das ziemlich ähnlich durch Versandunternehmen wie Sears Kenmore und viele andere ab. Die deutsche Nähmaschinenindustrie, die vor dem Krieg noch Weltmarktführer war, ging so langsam aber sicher zu Grunde. Mitte der 60er Jahre, nach vielen harten Aufbaujahren, kam dann in Deutschland die erste große Sterbewelle. Die noch lebensfähgien deutschen Unternehemen versuchten es dann mit einem Preiswettbewerb (die deutschen Maschinen wurden dabei immer schlechter, aber auch billiger) und die Japaner setzten zunehmend auf verbesserte Qualität. Ende der 70er Jahre kam dann die zweite größe Sterbewelle. Davon waren in Deutschland z.B. Meister und auch einige japanische Hersteller, wie z.B. Riccar betroffen. Singer hat sich ab etwa Mitte der 60er Jahre auch nur mit Billig-Nähmaschinen über Wasser gehalten. Singer hat 1968 die deutsche Produktion in Karlsruhe massiv zurückgefahren und 1982 wurden die letzten 450 Mitarbeiter in der Produktion entlassen. Ich möchte allerdings nicht wissen, wie groß die Lizenzeinnahmen waren, die Singer insgesamt aus Japan kassiert hat. Möglicherweise, ich kann es jedenfalls nicht ausschließen, hat man Singer in den USA zwangsweise zum Schaden der deutschen Nähmaschinenindustrie in die Tasche gewirtschaftet. Meine Phantasie ist groß, wenn ich an einige amerikanische Pfeffersäcke denke. Ich habe in meinem Leben einige kennengelernt und weiß wie sie ticken. Jedenfalls ist das der Rahmen in dem sich meine Gedanken bewegen. Mir ist es jedenfalls schleierhaft, wie es gelungen ist, einen ganzen Industriezweig mit vermutlich so etwa 100.000 Beschäftigen (möglicherweise auch mehr) und vielen abhängigen Zulieferanten einfach so fast spurlos auszulöschen.
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hutzelbein
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Re: Neuerwerbung: Singer 99K-13 Stimmt das?

#43 Beitrag von hutzelbein »

Dieser Link war für mich ursprünglich Einstieg in dieses Thema:

http://sewing-machines.blogspot.com/200 ... d-60s.html

In Worten: Über 5000 unterschiedliche Marken weltweit wurden von etwa 15 japanischen Herstellern hergestellt. Alle japanischen Hersteller haben dabei anfänglich mehr oder weniger von der ursprünglichen Singer Technologie abgekupfert und mit der Zeit haben die Japaner die Technologie dann zunehmend verbessert oder phantasievoll variiert.

Es gab noch viele weitere Links zu diesem Thema (die kann ich nicht alle schnell finden), z.B. hier:
https://www.oldsewingear.com/blog/category/japanese

https://tinkerbeth2.wordpress.com/2012/ ... ota-arrow/

Das Thema ist reif für eine sehr komplexe wissenschaftliche Untersuchung oder einen spannenden Kriminalroman, mit dem so ganz nebenbei demonstriert wird, wie Raubtierkapitalismus in seiner feinsten Ausprägung funktioniert. Mit Globalisierung hat das Thema nur am Rande zu tun. Wer den Sündenbock in Japan sucht, sucht mE am falschen Ort.
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Hosenkürzer
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Re: Neuerwerbung: Singer 99K-13 Stimmt das?

#44 Beitrag von Hosenkürzer »

Hallo Hutzelbein,

danke für die umfassenden Infos.

lG Helmut

Jochen_Adler
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Re: Neuerwerbung: Singer 99K-13 Stimmt das?

#45 Beitrag von Jochen_Adler »

Liebes Forum,

vor allem Detlef und Helmut, die mir geholfen haben, die Frage 99K-13 oder 66-D6 zu klären. Danke, nun weiß ich wo ich dran bin. Entschuldigung, dass ich so lange nicht gepostet habe, aber ich musste mal wieder Geld verdienen, um Nähmaschinen zu kaufen... biggrin

Die Singer läuft sehr schön, aber ich habe festgestellt, das Rückwärts und Zig-Zag schon etwas sind, was ich für mein Projekt benötige. Daher werde ich die Maschine heute oder morgen bei Ebay oder so einstellen und mal schauen, wie die Resonanz ist. Dabei werde ich die Maschine dann als 66-D6 mit Baujahr 1919 bezeichnen, auch wenn ich weiß, dass den Veritas Angaben durchaus misstraut werden kann. Einen Beleg oder Garantiezettel hatte ich leider nicht.

Dies tue ich vor allem, weil ich gestern durch Zufall an eine Maschine gekommen bin, die meine technische Begeisterung, meine optischen Ansprüche und die erforderliche Praxistauglichkeit verbindet; eine Bernina 117KL. Im Moment noch ohne Motor, aber das wird schon.

Dazu melde ich mich noch an anderer Stelle, hier aber ein großes Danke an alle, die sich Mühe gegeben haben, dieses scheinbar ewige Thema der Singer C-Seriennummern zu klären. Ich werde das sicher verfolgen.

Grüße

Euer Jochen_Adler (der eigentlich Jochen_Adler_Pfaff230_SingerD66_BerninaKL117 heißen sollte)

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inch
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Re: Re:

#46 Beitrag von inch »

[/quote]
Die amerikanische Regierung hat Singer deshalb dazu gezwungen, Patente nach Japan zu verkaufen. Das hat Singer nicht freiwillig getan. Enteignet wurde Singer allerdings auch nicht. Damit sollte die japanische Wirtschaft, die komplett zerbombt war, wieder aufgebaut werden. Im Gegenzug musste Japan Reparationszahlungen an die USA leisten. Diese wurden in Form ganzer Schiffsladungen von Nähmaschinen von den Japanern geleistet.......................................................................................Mir ist es jedenfalls schleierhaft, wie es gelungen ist, einen ganzen Industriezweig mit vermutlich so etwa 100.000 Beschäftigen (möglicherweise auch mehr) und vielen abhängigen Zulieferanten einfach so fast spurlos auszulöschen.[/quote]
Das ist lustig. Die Amis werfen mal locker 2 Atombomben über Japan ab (natürlich keine Kriegsverbrechen,waren doch schließlich die USA,feiern sich heute noch dafür)
bauen dann selbstlos die japanische Wirtschaft wieder mit auf und überschwemmen zum (Un)Dank die Welt mit japanischen Nähmaschinen. Es geht doch immer nur um Macht und Gewinnsucht,also Profit auf ganzer Linie.
In Deutschland wurden ganze Industriezweige ausgelöscht mit weit mehr als 100 000 Beschäftigten,nämlich die komplette Textilindustrie,Bekleidungsindustrie,Schuhindustrie inkl. der dazugehörigen Maschinenindustrie,nach 1990 dann dasselbe in der Ex-DDR.
Das Ergebnis: Arbeitsplätze weg,Patente weg,Know-how weg,Unabhängigkeit weg.
Letztlich war es damals wie auch heute,der überwiegende Teil der Menschen ist auch dem persönlichen (Spar)Profit verfallen,und hat lieber vermeintlich billig gekauft,ohne darüber nachzudenken,daß sein Nachbar irgendwann keinen Job mehr hat,weil die Bude zugemacht hat. Deshalb finde ich,sollte man nachdenken,was man eigentlich kauft (ohne auf deutsch klingende Phantasie-Markennamen hereinzufallen) und ob man gewillt ist,die heimische Wirtschaft zu unterstützen.
Ich glaube,das ist ein ganz,ganz "schwieriges" Thema.
Слава Україні!
Hier geht`s zur Ukraine-Direkthilfe:
https://prytulafoundation.org/en
https://www.ldc-ua.org/en
RTL Kinderhilfe - 10 €/SMS 44844 Stichwort: "Ukraine"

hutzelbein
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Re: Neuerwerbung: Singer 99K-13 Stimmt das?

#47 Beitrag von hutzelbein »

Ich versuche das mal aus der Sicht der Belegschaft zu beleuchten. Fotos von der Belegschaft würden mich mehr interessieren, als die Belege über die Stückzahlen, die sie mit Akkordarbeit hergestellt haben, obwohl ich ehrlich gesagt, lieber die Augen verschließe und meine Phantasie stoppe, weil ich das auch nicht einfach so wegstecken kann. Ich bin in den ersten Nachkriegsjahren in einer westdeutschen Industriestadt aufgewachsen. Deshalb kenne ich die Bilder aus meiner Kindheit relativ gut. Ich kann mir bildhaft vorstellen, was im Betrieb Wittenberge vor dem Krieg vermutlich abging. Nicht jeder konnte da einfach zuschauen, wie beim Schichtwechsel ein ganzes Heer von abgearbeiteten Akkordarbeitern die Fabriktore verlassen hat und dann die Leute in ärmlicher Bekleidung irgendwo am Straßenrand auf die Busse warteten, die sie dann in die umliegenden Dörfer gefahren haben. Möglicherweise mussten viele auch zu Fuß gehen oder hatten ein altes klappriges Fährrad. Während der Kriegszeit wurden die Tauglichen unter ihnen an die Front geschickt. Viele haben das nicht überlebt. Die Werksmeister und Vorarbeiter mussten sich dann vermutlich mit Häftlingen aus den Arbeitslagern beschäftigen. Soweit sie zu diesen Leuten zu anständig waren, wurden sie ebenfalls an die Front geschickt. Die Pfeffersäcke (Kriegsgewinnler, Aktionäre), die davon profitiert haben, wollen sich daran heute nicht mehr erinnern und ihre Erben vermutlich auch nicht.

Auf was die Belegschaft von damals noch heute stolz sein kann, ist das, was sie geschaffen haben. Das waren alles tolle Nähmaschinen, die sie gemeinsam hergestellt haben. Jeder einzelne Mitarbeiter war aber nur auf bestimmte Handgriffe, die in Akkordzeit zu bewältigen waren, spezialisiert. Die Maschinen waren mit die besten, die es auf der Welt gab. Das kann man heute noch sehen und insoweit nur staunen. Nur leider haben die Mitarbeiter außer dem täglichen Brot dabei kaum was verdient. Ich vermute, dass Singer damals noch Hungerlöhne bezahlt hat. Wer sich eine Nähmaschine kaufen wollte, musste gemäß meiner Schätzung ein Monat lang hart dafür schuften oder einige Jahre dafür sparen.

Vermutlich war man nach dem Krieg in der DDR erstmal froh, dass die Ausbeuter weg waren. Nur ohne sie war es vermutlich auch nicht entscheidend besser, vielleicht aber zeitweise etwas lustiger. Das was man sich auf diesem Gebiet erträumt, gibt es leider nicht oft oder nur selten, vom zwischenmenschlichen, solidarischen Zusammenhalt der Belegschaft abgesehen. Wenn ich an einer solchen alten Nähmaschine schraube, die in Wittenberge hergestellt wurde, mache ich das immer ohne Zeitdruck, nur zum Spass oder Zeitvertreib und achte auf jedes kleine Detail. Fast jedes Schräubchen wird dabei liebevoll behandelt. An die Akkordarbeit, die die Leute damals leisteten, will ich nicht denken.

Ich warte auf einen Zeitpunkt wo die Maschinen extrem rar werden. Dann bekommen jede gepflegte Maschine vielleicht mal den Wert, den sie eigentlich hat. Mit so einer alten Maschine nähe ich jedenfalls 10x lieber als mit einer modernen elektronischen Nähmaschine. Entsprechend verhält sich das bei meiner Wertschätzung. Ich habe noch nie eine elektronische Nähmaschine vor mir gesehen. Ich weigere mich, eine anzusehen. Selbst geschenkt will ich an keiner schrauben.

Ich konnte eine Sollbruchstelle an einer billigen Singer-Maschine Made in Sicily nachweisen. Da habe ich sofort an Mafiosi gedacht. Warum weiß ich auch nicht. Ich bin nur noch an Singer Nähmaschinen interessiert, die in Deutschland hergestellt wurden. Alle anderen interessieren mich nicht. Es gibt noch einige, die wurden in den ersten Nachkriegsjahren in USA oder UK hergestellt. Die würden mich auch interessieren. Aber an die komme ich nicht leicht ran. Meine Lieblingsmaschine ist die erste Zick-Zack-Maschine, die Singer weltweit auf den Markt gebracht hat. Die wurde in Wittenberge hergestellt. Vor dem Krieg wurde die nicht nach USA exportiert. Deshalb kennen die Amis diese Maschine kaum.
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Hosenkürzer
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Re: Neuerwerbung: Singer 99K-13 Stimmt das?

#48 Beitrag von Hosenkürzer »

Jochen_Adler hat geschrieben:Liebes Forum,

vor allem Detlef und Helmut, die mir geholfen haben, die Frage 99K-13 oder 66-D6 zu klären.
......
Daher werde ich die Maschine heute oder morgen bei Ebay oder so einstellen und mal schauen, wie die Resonanz ist. Dabei werde ich die Maschine dann als 66-D6 mit Baujahr 1919 bezeichnen, auch wenn ich weiß.......
Hallo Jochen,

gerne geschehen!

Große Hoffnungen auf eine enorme Resonanz auf Dein Inserat solltetst Du Dir aber nicht machen, auch wenn Du darin die Maschine 7 oder 8 Jahre älter machst, als sie ist.
Immerhin ist das Modell 66 ja das zweitmeist produzierte Singer-Modell aller Zeiten....

Trotzdem GOOD LUCK,

lG Helmut

hutzelbein
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Re: Neuerwerbung: Singer 99K-13 Stimmt das?

#49 Beitrag von hutzelbein »

Ich habe ein wenig die Chronik des Singer Werks in Wittenberge gelesen, weil es mich interessiert hat.

http://naehmaschinenwerk.de/naehmaschin ... onik01.htm

Ein paar OFFTOPIC Punkte packe ich hier noch zur Ergänzung des bereits angerissenen OFFTOPIC Themas rein. Das wusste ich noch nicht und vielleicht interessiert das auch jemand.

Singer hat in Deutschland das System der Ratenzahlung beim Kauf einer Nähmaschine eingeführt. Die Wochenrate betrug 1,50 RM. Kunden konnten so die Nähmaschine in 4-6 Jahren abbezahlen. 1 RM entspricht nach heutigem Geld etwa 4 Euro. So eine Nähmaschine, die per Ratengeschäft gekauft wurde, kostete ganz grob über den Daumen gepeilt so insgesamt etwa 1.200 bis 1.600 Euro. Wer bar bezahlt hat, bekam die Maschine natürlich billiger. Aber nur wenige Leute hatten damals so viel Geld.

1913 hat ein durchschnittlicher Singer Mitarbeiter nach heutigem Geldwert (eine alte Mark von damals entspricht etwa 5,20 Euro) ganz grob etwa 7300 Euro pro Jahr verdient (unklar ob brutto oder netto; ich vermute netto). Zusätzliche Vergünstigung gab es zeitweise dadurch, weil Singer auch Großeinkäufe für alle Beschäftige organisierte. Die Singermitarbeiter kamen so günstiger als andere Normalsterbliche an Kohle zum Heizen und Kochen oder Backen, Kartoffel, Butter und sonstige Lebensmittel heran. Arbeitskampfe und Streicks gab es aber um 1920 herum trotzdem relativ hefige und teilweise auch sehr lange. Im Dezember 1921 ging gar nichts mehr. Die Inflation erklomm ihren Höhepunkt. 1922 wurde der Lohn sogar täglich 3x ausbezahlt. Im Dezember 1928 kam es zu Massenentlassungen. 1929 begann die Weltwirtschaftskriese. Am 31.12.1930 gab es nur noch 1000 Beschäftigte (etwa 50% weniger als normal) und viele Arbeitslose in Wittenberge.

---
Wer wie ich eine in Wittenberge hergestellte Nähmaschine mit Baujahr so um 1930 herum besitzt (heute etwa 90 Jahre alt), sollte sich bewusst sein, was für eine Nähmaschine er da besitzt. Billig hergestellt wurden die Maschinen damals nicht. Wenn so eine Maschine perfekt gewartet wird, dann läuft sie auch heute noch wie neu mit perfekter Stichqualität und erheblich besser, leichtgängiger und leise, als eine neue vom Discounter. Nach meiner Einschätzung ist der Nutzwert 3-5x höher, weil sie auch in 100 Jahren bei guter Pflege noch wie neu laufen kann und dann sehr viel Geld wert sein kann. Eine Maschine vom Discounter ist vermutlich spätestens nach 4 Jahren so gut wie nicht mehr zu gebrauchen. Reparieren geht meistens nicht oder es lohnt sich nicht. Man kauft heute überwiegend (nicht generell) Plastikschrott mit Sollbruchstellen ein. In der Qualität in der Singer damals die Nähmaschinen hergestellt hat würde eine neue Nähmaschine auch heute noch so etwa um 1000 Euro herum kosten. Wer Nähen kann braucht keine Zierstiche und wenn doch dann normalerweise nur sehr selten. Die kann man auch mit einer alten Nähmaschine herstellen. Es dauert dann halt etwas länger. Das was dabei die alte Maschine kann, kann die neue oft gar nicht. Wenn sie es doch kann oder noch mehr kann, dann interessiert mich das nicht. Ich habe jedenfalls eindeutig festgestellt, dass eine alte Toyota Nähmaschine mit Baujahr um etwa 1978 mehr konnte, als eine neue Toyota Maschine, die so um etwa 2012-2014 hergestellt wurde. Beide Maschinen waren bestimmt nicht schlecht, ich will sie jedenfalls nicht schlecht reden. Die noch älteren deutschen Nähmaschinen konnten noch mehr in einer Art und Weise, wie es die alte und die neue Toyota Maschine nicht konnte. Billige Nähmaschinen vom Discounter schaue ich erst gar nicht an.
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Singer hat während der Kriegszeit expandiert und am Krieg mitverdient. Tatsächlich wurden Panzergranaten und andere Munition für die Nazis hergestellt. Gleichzeitig soll Singer allerdings auch Maschinengewehre für die Allierten in Wittenberge hergestellt haben.

Im August 1942 errichte das KZ Neuengamme in Wittenberge ein Außenlager, in dem viele Häftlinge, besonders Ausländer, den Tod gefunden haben sollen.

Das Werk in Wittenberge wurde ab 15. Juni 1945 als Reparationsleistung bis 1946 hinein demontiert. Die Maschinen wurden nach Russland in ein dortiges Singer Werk abtransportiert. Singer soll daran nicht besonders interessiert gewesen sein, weil die Anlagen während der Kriegszeit ziemlich zerschlissen wurden. Angeblich hat Singer aber eine Entschädigung in Gold-Dollar bekommen. Der Grund und Boden in Wittenberge gehörte nachwievor Singer. Veritas hat angeblich während der ganzen Nachkriegszeit an Singer Pachtzahlungen geleistet.

Von der Konferenz von Jalta im Februar 1945 soll es ein Zusatzprotokoll geben, in dem die Siegermächte auch über den Umgang mit dem Singer-Werk in Wittenberge Vereinbarungen getroffen haben.
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Re: Neuerwerbung: Singer 99K-13 Stimmt das?

#50 Beitrag von inch »

@hutzelbein "Gleichzeitig soll Singer allerdings auch Maschinengewehre für die Allierten in Wittenberge hergestellt haben"

Das fiel natürlich überhaupt niemandem auf biggrin
Слава Україні!
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