Singer 206G Restauration

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hutzelbein
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Singer 206G Restauration

#1 Beitrag von hutzelbein »

Ich arbeite derzeit an drei dieser Maschinen. Wie man sie weitgehend zerlegt, danach wieder perfekt zusammenbaut und einstellt, weiß ich mittlerweile. Mit einer dieser Maschinen habe ich mich bereits vor etwa zwei Jahren intensiv beschäftt. Damals fehlte es noch etwas Erfahrung und die Maschine war ziemlich an allen Stellen verharzt. Es war sogar bedingt durch einen Transportschaden eine Ecke am Maschinenbett (unter dem Handrad rechts) abgebrochen. Damals habe ich diese Maschine zunächst nur als Ersatzteilspender und als geeignetes Schraubobjekt zum Lernen empfunden. Ich wollte auch den nicht mehr einwandfrei funktionierenden Zick-Zack Mechanismus begreifen. Der ist in einer Lagerbuchse mit etwa 3cm Durchmesser verbaut (Singer Part No. 188412 gem. Singer List of Parts for Class 206K Machines). Diese Buchse wurde bei der Herstellung von Singer dick mit Fett überzogen, damit sie sich leichter in den Arm einschieben ließ. Ich konnte den Zick-Zack Mechanismus nicht ausbauen. Die Buchse sass wie eingeklebt fest. Mit dem Hammer konnte ich sie dann aber rausschlagen. Die Buchse ist aus dünnen Spritzguss und sie ging beim Ausbau defekt. Ich habe sie dann aber mit einer 3cm Alu-Rundstange originalgetreu nachgebaut. Der Zick-Zack-Mechanismus funktioniert wieder einwandfrei und vermutlich habe ich jetzt eine der sehr wenigen Maschinen, bei der sich der ganze Zick-Zack Mechanismus einfach ausbauen und dann komplett zerlegen lässt.

Bei den beiden anderen Maschinen habe ich es bereits versucht, den Zick-Zack-Mechanismus ebenfalls auszubauen. Mit einfachen Mitteln geht das nicht und Gewalt darf man gemäß meiner Erfahrung nicht anwenden. Es könnte aber vielleicht doch eine trickreiche Methode geben, bei der man den Mechanismus mit einer Rausdrückvorrichtung von hinten nach vorne irgendwie doch rausdrücken könnte, ohne dass die Buchse defekt geht. Bei Renters Band 3 Seite 195 steht, man solle die Exzenterbuchse nur vorsichtig rausdrücken. Das hat Renters vor etwa 70 Jahren geschrieben. In der Zwischenzeit ist das alte Fett aber vermutlich bei allen Maschinen bereits eingetrocknet. Ich habe daran gedacht, es mit großen Schraubzwingen zu versuchen. Mit dem Hammer schlage ich auf die Buchse nie wieder ein. Und nachbauen will ich die Buchse kein zweites Mal. Das war tierisch viel Arbeit.

Der Ausbau ist bei beiden Maschinen nicht unbedingt erforderlich. Ich konnte den Zick-Zack Mechanismus auch mit Petroleum wieder zum leichtgängigen Verhalten bringen. Man kann von oben durch den Armdeckel und von hinten ganz gut Petroleum in den Mechanismus spritzen. Trotzdem würde ich den Mechanismus gerne ausbauen und ihn innen gründlich reinigen. Ich denke 90 Jahre nach der Herstellung sollte man es irgendwann tun, um die Maschine für die nächsten 90 Jahre im sehr guten Zustand zu halten.

Alle Maschinen nähen wieder einwandfrei, extrem leichtgängig und leise. Schöne Singer Motorenlösungen habe ich inzwischen auch bereits gefunden. Bei einem dieser Motoren war ein Kondensator defekt. Der war doch tatsächlich im Strator verklebt. Erst dachte ich, die gesamte Wicklung des Motors ist durchgebrannt. Nein es war nur der Kondensator und den habe ich inzwischen rausgeschmissen. Wie ich den ersetzen muss, weiß ich mittlerweile. Der perfekte Ersatz kostet bei Conrad nur 44 Cent (Conrad Bestell-Nr.: 1279958-62 müsste gut passen). Bei der Maschine, wo die Ecke abgebrochen war, habe ich eine neue Ecke aus Hartholz angeklebt. Diese Maschine wollte ich jetzt komplett neu mit Einbrennlack lackieren. Ich will es einmal ausprobieren, ob ich das perfekt hinbekomme. Deshalb will ich mir für diese Maschine sogar neue Decals besorgen. Ich weiß, der Aufwand den ich betreibe ist wahnsinnig und wird vermutlich nie bezahlt werden. Trotzdem will ich es versuchen. Ich denke diese Maschine hat es verdient. Die Technik, die Singer in dieser Maschine verbaut hat, war vom Feinsten und es gibt auch heute noch kaum Nähmaschinen, die leichtgängiger nähen können. So steht das auch im Nähmaschinenverzeichnis und ich kann das nur bestätigen.

Ich habe im Grunde nur zwei Problembereiche oder Fragen:

- Gibt es eine Methode bei der ich die Zick-Zack Lagerbuchse relativ bruchsicher ausbauen kann? Ich denke Singer hat bei allen Swing-Needle Maschinen wie der 306, 319 und vermutlich auch der 401 eine ähnliche Buchse verbaut. Es gibt nur zwei Schräubchen, die ich lösen muss und dann muss ich von hinten irgendwie Druck auf die Zick-Zack Lagerbuchse erzeugen und den langsam erhöhen, so viel ist für mich bereits klar. Irgendwie muss ich mir vermutlich eine Rausdrückvorrichtung basteln, ähnlich wie sie die auch ein Fahrrad-Mechaniker hat, wenn er das Tretlager aus einem alten Fahrrad rausdrücken muss.

- Bei der Lackierung wollte ich Einbrennlack von Kaddy-Lack benutzen. Alternativ wie adler104 Spraila aus der Sprühdose. Das ist ein Nitrokombinationslack, bei dem ich allerdings Reaktionen auf den Untergrund oder auf obere Schichten befürchte, weil der Lack vermutlich aggressive Lösungsmittel enthällt. Die andere Alternative wären Sprühlacke auf Alkydharz-Basis. Die hätte ich bereits hier und die benutze ich auch gelegentlich für kleinere Maschinenteile, wie z.B. selbst gebastelten Motorenhalterungen. Bei diesen Lacken habe ich etwas Angst, dass sie weniger gut durchhärten und dann nicht so strapazierfähig sind, wie das ursprünglich bei alten Singer Nähmaschinen der Fall war.

Die Decals wollte ich mit wasserverdünnbaren Lascaux Transparentlack 1 schützen. Den habe ich hier bereits und der kommt bei mir ziemlich oft für andere Zwdcke zum Einsatz. Danach wollte ich die letzten Schichten ebenfalls mit transparenten Einbrennlack überziehen. Ich weiß nicht, wie hitzeempfindlich die Decals und der Transparentlack reagiert. Einbrennen wollte ich den transparenten Einbrennlack nur bei einer relativ moderaten Temperatur von etwa 100°C. Das ist gemäß Herstellerbeschreibung möglich. Hat jemand Ratschläge zu diesem Thema?
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GerdK
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Re: Singer 206G Restauration

#2 Beitrag von GerdK »

Hast Du es bei der Buchse mal mit Hitze versucht? Um damit evtl. das alte Fett wieder zu verflüssigen und außerdem den Ausdehnungseffekt vielleicht ausnutzen zu können?
Ich denke, ein Haarfön reicht dazu nicht. Man braucht dann wohl eine sog. "Heatgun" oder eine Lötlampe.

Viele Grüße, Gerd

hutzelbein
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Re: Singer 206G Restauration

#3 Beitrag von hutzelbein »

GerdK hat geschrieben:Hast Du es bei der Buchse mal mit Hitze versucht? Um damit evtl. das alte Fett wieder zu verflüssigen und außerdem den Ausdehnungseffekt vielleicht ausnutzen zu können?
Ich denke, ein Haarfön reicht dazu nicht. Man braucht dann wohl eine sog. "Heatgun" oder eine Lötlampe.

Viele Grüße, Gerd
Ich könnte die Maschine ja mal bereits in meinen Backofen stellen und ausprobieren und ich sie bei etwa 100° dort backen kann. Das müsste eigentlich gehen und könnte auch für andere Zwecke manchmal nützlich sein, um alte Öle oder eingetrocknete Fette zu verflüssigen, so lange keine Kunststoffteile verbaut sind. Spulergummi nehme ich natürlich vorher ab. Danke für den Tipp.
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Re: Singer 206G Restauration

#4 Beitrag von GerdK »

Ja, Backofen ist wohl noch besser weil gleichmäßiger. Und ob der Lack das abkann, weißt Du ja sicher besser als ich, da hast Du wohl genug Erfahrung.

Viele Grüße, Gerd

hutzelbein
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Re: Singer 206G Restauration

#5 Beitrag von hutzelbein »

GerdK hat geschrieben:Ja, Backofen ist wohl noch besser weil gleichmäßiger. Und ob der Lack das abkann, weißt Du ja sicher besser als ich, da hast Du wohl genug Erfahrung.

Viele Grüße, Gerd
Es ist schon erstaunlich. Auf die einfachsten Mittel, die eigentlich auf der Hand liegen, kommt man manchmal einfach nicht. Ich werde es vermutlich morgen bereits ausprobieren und dann berichten, ob das geht. Die Maschine müsste in den Ofen eigentlich gut hineinpassen. Einen Braten von dieser Größe sollte der gerade noch beheizen können, wenn ich das Handrad abmontiere. Bei größeren Maschinen gibt es vermutlich Probleme. Wenn ich an all die verharzten Maschinen denke, die ich bereits gewartet habe, hätte ich mir mit dieser Methode vermutlich viel Arbeit ersparen können. Erst jetzt bin ich auf diese einfache Lösung gekommen, weil ich eine Maschine mit Einbrennlack lackieren wollte. Das ist schon fast unglaublich. beerchug

Ich habe den amerikanischen Decals Händler angeschrieben und um einen Ratschlag gebeten, mit welchen Lack ich seine Decals am besten verarbeite. Der hat die passenden Decals auch für viele andere Singer Nähmaschinen, ebenso für Adler Maschinen und für die Pfaff 130. Die Decals sind allerdings relativ teuer. Gerade so, dass es keinen zusätzlichen Zoll und keine Einfuhrumsatzsteuer kostet, wenn man die Decals einzeln bestellt. Möglicherweise gibt es aber noch eine andere Methode, wie man auch ohne Decals bei der Restauration gut vorgehen kann. Das will ich noch rausfinden, wie und ob das geht.
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Alfred
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Re: Singer 206G Restauration

#6 Beitrag von Alfred »

man kann die Maschine auch in einen zur Seite offenen Karton stellen und einen Heizlüfter davor, jedenfalls habe ich so auch schon mal eine Pfaff so auf Betriebstemperatur gebracht; auf alle Fälle dabeibleiben und beobachten damit nichts brennt.
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im Einsatz: Pfaff Jeans, OL AEG NM 760A, die Anderen kommen und gehen angel
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hutzelbein
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Re: Singer 206G Restauration

#7 Beitrag von hutzelbein »

Heizlüfter habe ich keine mehr und will mir für diesen Zweck auch keine kaufen. Auch wenn sie kaum Geld kosten. Eine Lötlampe könnte ich öfter gebrauchen. Mein Haus ist so gut isoliert, dass ich selbst im Winter kaum eine Heizung brauche. Da ich nur sehr selten backe, muss der Backofen mal seinen Dienst tun. Die Idee finde ich so genial und einfach, dass ich es unbedingt ausprobieren muss. Leider habe ich keine total verharzte Maschine mehr, um den Effekt des verflüssigten Öls mal auszutesten. Wenn es gut läuft, kommt die Buchse auch ohne großen Druck raus, hoffe ich. Bei meiner anderen Maschine, bei der ich die Buchse original nachgebaut habe, geht das, obwohl ich sie auch eingefettet habe. Da muss ich nur leicht ziehen, genau wie es im Reparaturhandbuch beschrieben ist.

Der Decals Händler hat mir geschrieben, dass der dünne Film auf dem sich die Decals befinden, extreme Temperaturen aushalten kann. Bei der Tinte sei er sich aber nicht sicher. Er meinte ich solle es mit seinen Testexemplaren erst ausprobieren, die den Decals beiliegen. Damit steht für mich fest, dass ich es erst noch ganz anders ausprobieren werde. Tinte habe ich meinen Gold- und Silbermarkern auch. Ich darf die Tinte wie Knödel und Würstchen vermutlich nur garen. Kochen und brodeln darf die Tinte nicht. Ich muss den kritischen Temperaturpunkt der Tinte irgendwie herausfinden. Dass es ab einer bestimmten Temperatur Probleme geben könnte, habe ich mir bereits gedacht.
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Re: Singer 206G Restauration

#8 Beitrag von Benno1 »

Statt der Lötlampe kannst auch das hier verwenden

https://www.ebay.de/itm/Heisluftpistole ... 3457548744
Elna supermatic, ZZ und SU sind meine Hauptmaschinen, Singer 66, Singer-Klon von Rast & Gasser, Kayser L und noch so einige biggrin biggrin biggrin

hutzelbein
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Re: Singer 206G Restauration

#9 Beitrag von hutzelbein »

Benno1 hat geschrieben:Statt der Lötlampe kannst auch das hier verwenden

https://www.ebay.de/itm/Heisluftpistole ... 3457548744
So ein Ding steht bei mir bereits seit längerer Zeit auf der Einkaufsliste, weil man damit auch PVC und TPU-beschichtete Stoffe verkleben kann. Das kann natürlich punktuell auch an einer Nähmaschinen ganz nützlich sein, weil man damit noch ganz andere Temperaturen realisieren kann, als mit einem Föhn. Die Maschine kommt aber diesmal in den Backofen. Ich muss das ausprobieren. Wenn das klappt, dann sind über diesen Weg noch ganze andere Probleme lösbar. Das passiert ja oft, dass man bei einer Nähmaschine nicht genau weiß, wo sich die Problemstelle befindet. Der Backofen löst dann alle Probleme in der Maschine gleichzeitig, ohne dass ich die Übeltäter einzeln suchen müsste. So meine Wunschvorstellung.

Ob ich im Ofen auch Lack einbrenne, weiß ich noch nicht. Ich muss mich da erst noch schlau machen und auch die möglichen Alternativen austesten. Das kostet nicht viel. Andere Leute haben das bereits ausprobiert, was mir da eingefallen ist. Eine Besorgnis besteht hauptsächlich darin, weil der Ofen keine Abluftvorrichtung hat, an der die verdampften Lösungsmittel einfach entweichen können. Obwohl ich den Ofen nur sehr selten benutze, will ich ihn auch nicht versauen. Ein wenig Fett oder Öl in der Nähmaschine ist vermutlich kaum ein Problem. Verdamptte Lösungsmittel in Lacken auf einer frisch lackierten Nähmaschine sind im Ofen ein ganz anderes Kaliber. Der nächste Kuchen oder Braten könnte sich bedanken. Der Ofen könnte auch so stinken, dass ich mir einen neuen kaufen müsste.
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Re: Singer 206G Restauration

#10 Beitrag von duesenberg »

Ich habe vor längerer Zeit den Zylinder meines Motorrades mit Einbrennlack für eben diesen Zweck behandelt und hinterher im Backofen eingebrannt. Das waren Temperaturen um die 130°C, wenn ich mich richtig erinnere. Meine Frau war auf einer Dienstreise, so daß ich etwas Zeit gehabt hätte, die Spuren meiner Untat zu verwischen. Es war - gar nichts. Ich hatte geglaubt, es stinkt und qualmt wie ein rumänischer Lastwagen beim Anlassen. Nichts dergleichen. Sicher, ein bißchen blauer Dunst - aber der war nach ein paar Minuten lüften fort. Inwieweit der Zylindereinbrennlack mit dem von Dir favorisierten vergleichbar ist, weiß ich natürlich nicht.

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