Klaus aus A hat geschrieben:Wir sollten einen Philosophie- Thread aufmachen. Bisher wurde hier nur über die Suchtgefahr gescherzt. Es gibt aber auch positive Effekte für die Seele.
Dem kann ich nur vollinhaltlich zustimmen. Also machen wir das doch glatt.
Technikbegeisterte gibt es viele, Sammler auf verschiedensten Gebieten auch.
ZeitgenossInnen, die sich für historische Nähmaschinen interessieren, sei es als Sammelobjekte oder zur Befriedigung des Basteltriebes, sind aber ziemlich seltene Vögel.
Warum tun wir das also? Warum fahren wir manchmal stundenlang durch die Botanik, um uns das Objekt unserer Begierde zu beschaffen, schlagen uns die Nächte um die Ohren und machen uns die Fingernägel schwarz, um das erstandene Stück (meistens in beklagenswertem Zustand) wieder in funktionsfähige und mehr oder weniger ansehnliche Verfassung zu bringen, riskieren Stirnrunzeln unserer - oder gar Zwist mit unseren - PartnerInnen und vor allem: Warum können wir nie genug bekommen? Jeder von uns weiß, daß historische Nähmaschinen (bis auf wenige Ausnahmen) nahezu nichts "wert" sind und man den Arbeitsaufwand, den man einmal investiert hat, nie wieder materiell lukrieren kann. Nichtsdestotrotz stellen wir uns die Wohnung oder das Haus mit diesem "Gerümpel" voll.
Sicher gibt es hier viele unterschiedliche Motivationen. Die Idee dieses Threads ist, daß jede(r), die/der will, und auch bereit ist, persönliches preiszugeben, uns hier ihre/seine Befindlichkeiten schildert.
Da ich die schwere und verantwortungsvolle Aufgabe übernommen habe, dieses Thema zu starten, sei es mir bitte erlaubt, das Echo des Forums abzuwarten, bevor ich mich persönlich näher dazu äußere.
Die Dinger sind ein Stück Technikgeschichte, man kriegt für recht wenig Geld etwas mehr oder minder praktisch nutzbares aus einer "vergangenen Zeit". Ich kann also einfach und preiswert Technik von früher anfassen, benutzen und erhalten. Jede der Maschinen ist ein Beispiel wie Menschen aus simplen Rohstoffen wie Grauguss, Stahl, Holz, Leder (und nicht zu vergessen Asphalt ) etwas geschaffen haben was eine alltägliche Aufgabe erfüllt, das Verbinden von Textilien und Leder mittels Faden zu Bekleidung oder Ausrüstung.
In jeder Maschine stecken andere Ansätze dies umzusetzen, genauso findet man in jeder Maschine wieder andere Ansätze und Verfahren zu ihrer eigenen Herstellung.
Es sind Beispiele des technischen Verständnisses, Einfallsreichtumes und handwerklichen Könnens ihrer Erbauer.
Bei einer Maschine Bj. 1910 kann man sicher sein das keiner der sie in irgendeiner Art und Weise geschaffen hat noch lebt, trotzdem gingen seine Fähigkeiten in diese Maschine ein, sie also zu verstehen ist irgendwo wie ein "technisches Gespräch" mit Menschen die lange vor mir lebten, die ich nie treffen konnte. Aber ich kann ihre Fähigkeiten (die im Grossen betrachtet auch irgendwo meine jetzige Existenz in dieser Form ermöglichten), versuchen zu verstehen und nachzuvollziehen.
Warum macht mir genau das Spass ? keine Ahnung, da hab ich nie eine Antwort drauf gefunden.
Und wenn ich die Karren nebenbei noch benutzen kann um mir darauf Klamotten nach meinem Gusto herzustellen, (und dabei nicht auf klapprige Plastebomber angewiesen bin) dann hat das ja noch zumindest einen weiteren Vorteil.
meine "Erkenntnis" bezüglich der Maschinen die mich grade besonders interessieren:
Nähen ist ein Handwerk, das Menschen von sehr frühen Zeiten an begleitet.
Die Menschheitsgeschichte lang wurde mit der Hand genäht.
Mitte 1800 wurden dafür Maschinen entwickelt.
Bis zum 2. Weltkrieg - und wohl noch ein Bisschen danach - wurden Nähmaschinen so hergestellt, dass sie gut funktionieren und lange halten.
Erst ab 1950 oder 60 ging es los, dass "Verbesserungen" vor Allem Vereinfachungen des Produktionsprozesses waren und sich die Maschinen in ihrer Haltbarkeit verschlechterten.
Wir haben also Geräte, die gab es lange garnicht - dann ca. 50 jahre lang - und es wird sie aller Vorraussicht nach auch nie wieder geben. (bis auf Ausnahmen, die heute wieder neu hergestellt werden, wo ich aber noch keine in der Hand hatte und skeptisch bin, wie sorgfältig die produziert werden)
100 Jahre - eher nur 50 Jahre - der Menschheitsgeschichte lang wurde etwas produziert, das einmalig ist. ... und noch dazu nützlich.
Wir, die Generation/en die danach kamen, haben die Gelegenheit, diese Besonderheiten für kleinstes Geld zu kaufen - und nach ein Bisschen Pflege strahlen viele von denen wie früher, als sie ganz jung waren.
Das ist zwar nix filosofisches, aber schön ... und mich beeindruckt es sehr!
Nähmaschinen faszinieren - es ist eine Technik zum Anfassen, zu sehen, wie Hebel A den Hebel B steuert und zu erkennen, wie, warum, wieso - zu staunen, zu fluchen, zupacken müssen, um etwas zu verändern - beherrschen zu können - von der bloßen Neugierde bis zum Besitz ist das Interesse der Menschen bei diesen Objekten zunächst für kleines Geld eine Möglichkeit, etwas , ja auch sich selbst auszuprobieren.
Es überraschte mich zunächst wie viele Frauen da aktiv sind: logisch aber die Zuordnung Nähen, ein Bezug, der wohl bei jedem einer der Ursachen ist. Selbst nähen, Textilreparaturen gemacht zu haben eine der Einstiegsdrogen. Sei es, weil man an der "AlltagsNMS" besser nicht rummacht - sei es und da sehe ich die Vielzahl derer, die da in Handwerksmaschinen verknallt sind, bestimmte Materialien verarbeiten möchte. Eine Einstiegsdroge ist ein völlig anderes Hobby.
Warum finde ich die komplette Serviceanleitung einer Nähmaschine bei den Drachenfliegern? Die brauchen das Werkzeug, also haben sie die Ursache für das Interesse - der Anlass, der dann Auslöser für spannende Nächte vor Internetauktionen - irgendwann klappt es, "Beute" zu machen - Erfüllung des Jagdtriebs.
Dann sieht man plötzlich - oh, kaputt - und schon fängt es an.
Hätten wir Geld, Raum, Zeit im Überfluss würden Viele von uns vermutlich den Käfer aus der Jugendzeit, einen Unimog oder einen Traktor be-basteln, aber die kann man schlecht einfach so wegstellen - die Nähmaschine ist da ideal -
Und bis man draufkommt, da habe ich eine 1 Euro-Maschine mit 13 Euro Transportkosten, Ersatzteile zu 5 Euro mit 40 Euro Transport aus USA - 6 Euro Maschine 43 Euro Nebenkosten - ist es schon zu spät!! Die Hoffnung, das nun Gerichtete könne ja zu 60 Euro in die Bucht - abzüglich Gebühr also eine Nullnummer - hat man schon längst die Nächste samt einigen Beifängen aus der Bucht, aus Kleinanzeigen, aus der Nachbarschaft.
Und dann liest du hier im Forum Der oder Die hat gerade eine XYZ - und Du siehst einen jämmerlichen Schrotthaufen - grinst Dir vielleicht noch eins warum sich der ... So'n Schrott kauft, würde Dir NIE in den Sinn kommen - und fünf Bilder weiter (und wehe ihr stellt keine Bilder ein!) siehst Du, dass aus dem Schrotthaufen eine fast neuwertige Maschine gemacht wurde - und ohne dass Du es selbst gemerkt hast, hast Du selbst auch in der Bucht auf eine XYZ einen irrwitzigen Betrag ...bis jetzt hatte ich doch nur 1-Euro-Maschinen, da kann ich doch auch mal ein paar Euros mehr ... und Zack 3,2,1, Deins! Zur Komplettierung und mangels Ersatzteilen erfordert das nun die Suche und Jagd einer weiteren XYZ - es gibt aber nur die YYZ, aber die ist fast wie die XYZ, aber wenn DU die ZZZ auch noch bekämst - und dann postet ausgerecht T. aus B. hier, dass in der Bucht eine ZYZY wäre und die ist genau in Deiner Nähe und ne- bevor T aus B die bekommtbisteeinfachschneller - und Zack - jetzt hast DU also eine XYZ, eine YYZ eine ZZZ und die ZYZY.
Der Sinn des Lebens ist die Jagd nach dem Sinn des Lebens. Jede Generation denkt, das völlig neu herausgefunden zu haben und glaubt nicht daran, dass die Vorgeneration das Gleiche wie die Vorvorgenertion und ... wer mag sich die Eltern schon beim Poppen vorstellen - ne, danke, die haben das bestimmt nie gemacht, wissen nicht was Liebeskummer ist - so erfindet sich das Leben immer neu. Nähmaschinen sind da das einzig konstante denn egal ob eine einfache Geradstich bis zum modernsten PC mit Nähfunktion - rauf-runter - rauf mit dem Faden - es bleibt immer das Gleiche...
Wie soll man eine Leidenschaft oder Passion erklären? Man kann es nicht. Auf einmal ist sie da und ich frage mich nicht einen Moment warum. Was ich sagen kann ist: wenn ich am nähen bin ich in einem kreativen Prozess "versinke" der mir Spaß macht und Freude bereitet. Das es sooo aufwendig wird hätte ich mir bei meiner ersten Maschine nicht träumen lassen. Die Stoffe, die Garne, die Nadeln, Rollschneider, Scheren, Lineale, Schablonen, Lampen, Kabel und und und. Was mir auch sehr viel Freude bereitet, wenn vorhanden, in den Schubladen mit Zubehör zu wühlen. Für mich wie Schatzkisten und jeder unerwartete Fund eine freudige Überraschung.
Erklären? Warum?
Passionen erklären sich selbst indem man sie lebt.
LG WortzumSonntagLausi
..ab der zweiten Maschine vermehren sich die Teile wie die Karnickel
heute war ich bei Agnes, in der Bayernkaserne (in München).
Dort halten sich viele Flüchtlinge auf und Agnes organiesiert Nähkurse für Interessierte.
Sie haben einige alte Nähmaschinen, wovon viele nicht funktionieren.
Die meisten sind neueren Datums und ich müsste mich erst lange einarbeiten, bevor ich da etwas verbessern könnte, ABER:
Die Maschinen, die ich bis jetzt bei mir versammelt habe, wären dort sehr willkommen und ich schalte gerade um, von:
"Ich tue das aus Interesse und Vergnügen", auf:
"Ich tue es für soziale Zwecke".
Mich freut diese Entwicklung, weil ich meinen Platz ohne Sinn und Verstand mit den schwarzen Monstern vollgestellt habe und jetzt einen schmalen Streifen am Horizont sehen kann, wohin ich sie - sinnvoll - wieder loswerde.
Von Anfang an war klar, das ich die irgendwann bald wieder weiterverteilen muss - und privat kenne ich kaum jemanden, der Platz, Verständnis und Interesse daran hätte.
Das Projekt wird nicht ewig laufen und was danach kommt, wird sich zeigen ....
(nein, meine Lieblinge gebe ich nicht weg, aber ich habe mehr Lieblinge als ich nutzen kann)
Manohara hat geschrieben:heute war ich bei Agnes, in der Bayernkaserne (in München).
Dort halten sich viele Flüchtlinge auf und Agnes organiesiert Nähkurse für Interessierte.
Sie haben einige alte Nähmaschinen, wovon viele nicht funktionieren.
Die meisten sind neueren Datums und ich müsste mich erst lange einarbeiten, bevor ich da etwas verbessern könnte, ABER:
Die Maschinen, die ich bis jetzt bei mir versammelt habe, wären dort sehr willkommen
Moin,
bringst Du Maschinen da hin? Oder hast Du einen Empfänger-Kontakt für mich? Ich könnte eine Husqvarna 19e schicken. Geprüft, geputzt, geölt, mit Anleitung, Koffer und Spulen. Für meine Zwecke zu leicht gebaut.
Du bist der Zweite, der mich fragt und gerne helfen möchte.
Das freut mich.
Ich kenne das ganze Umfeld und die Umstände noch nicht so genau.
Momentan denke ich daran, eine Pfaff 130 (mit Tisch) fit zu machen und sie dort hin zu bringen.
Die einzige Maschine, die sie dort hatten und die mir bekannt war, war eine PFAFF 130, deren Zickzack-Steller blockiert und keinen Gradstich mehr macht.
Die werde ich im Austausch dann mitnehmen und sehen, ob ich sie flott bekomme (was ich annehme).
Ich werde mit Agnes über Eure Angebote reden und gehe davon aus, das sie sich ebenfalls freuen wird.
Ob - und wie schnell dort Platz sein wird, kann ich momentan nicht sagen, finde es aber heraus.