Biesolt und Locke Wettina Medium

Alte und selten gewordene Maschinen, oft als Dekoobjekte zu finden.
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HAD
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Biesolt und Locke Wettina Medium

#1 Beitrag von HAD »

Hallo alle Altertümchen Freunde,

ich habe neben meiner Elefantenjagd auch noch nach echten, seltenen Oldies Ausschau gehalten und bin mit einer Wettina Medium hergestellt ca. 1900 fündig geworden. Zwar hatte ich zum ersten Mal bei ebay richtig Probleme, weil dem Verkäufer das Versteigerungsergebnis von 3,52€ plus 10€ Porto zu niedrig war und er den Kauf nach Bezahlung illegal einfach rückkgängig gemacht hat. Meine Drohungen ein Fass aufzumachen, haben ihn dann aber doch zum Einlenken gebracht. Er schien auch etwas einfach gestrickt zu sein. Leider ist die schöne alte Haube, die dabei war beim schlecht verpackten Transport völlig zerlegt worden und sehr wurmstichig.

Die Maschine ist eine Wumme, so groß hatte ich mir die nicht vorgestellt. Die bis zu 118 Jahre Benutzung sind ihr durch das abgenutzte Dekor schon anzusehen, wobei das sächsische Staatswappen schön erhalten ist. Sie war auch kaum verharzt, mit Schiffchen und ein paar Spulen und ließ sich sofort wieder nach einer ersten Ölung einsetzen. Technisch ist sie sehr ähnlich wie zeitgleiche Gritzner-Schwingschiffchenmaschine konstruiert, auch mit Rückwärtsgang. Sogar die Schiffchen sind austauschbar. Wobei die Feststellung der Stichlänge mit einer Rändelschraube auf der Rückseitehinter dem Handrad etwas ungewöhnlich ist.

Ich habe ihr eine China Handkurbel der Singer-Bauart verpasst, damit lässt sie sich gut benutzen, auch wenn die Kurbelgetriebe nicht gerade Präzisionsarbeit sind. Gab es eigentlich eine Norm für den Abstand Hauptwelle/Handradmitte und Befestigungsschiene samt Gewindebohrung? Dieses Maß scheint seit Singer um. 1870 bis ca. in die 1970er Jahre gkeich geblieben zu sein. Nur die Gewinde variieren. Die Befestigungsschiene war noch unbenutzt mit Schutzkappe aus Gusseisen. Also war es vorher eine Trampelmaschine.

Anbei ein paar erste Fotos vom Kauf, weitere folgen

Grüße
Harald
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Singer 12, 48K, 28K, 66K, 15D, 677G; Pfaff B, 30, 230, 84, 208; Bisolt und Locke Wettina Media; Gritzner R; Dürrkopp B; Haid und Neu Gloriosa B; Quelle/Haid und Neu Mercedes de Lux; Mundlos Victoria; Podolsk 142; Neckermann/Kochs 819/00; Babylock EA-605.

HAD
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Re: Biesolt und Locke Wettina Medium

#2 Beitrag von HAD »

Hier noch ein paar Fotos von der großen Maschine. Sie heisst übrigens richtig Wettina Media, ab 1910 wurde sie unter dem dan einheitlichen Markennamen Afrana als Afrana Medium verkauft.

Auszug aus meinem Textvorschlag für das Nähmaschinenverzeichnis:

Die hier vorgestellte Typ „Wettina Media“ als Bogenschiffmaschine wurde ab 1900 produziert. Das vorgestellte Exemplar ist so auf die Zeit ab 1900 bis jüngstens 1910 zu datieren, nach jährlichen Produktionszahlen geschätzt um ca. 1908. Eine genaue Zuordnung der Seriennummer 489166 ist heute nicht mehr möglich. Dieser Typ wurde auch unter der Marke „Suprema“ exportiert, u. a. bis nach Australien. Der ehemalige Wettina Media wurde nach 1910 bis 1914 noch unter dem ab dann einheitlichen neuen Markennamen „Afrana“ als „Typ Medium Vibrating Shuttle“ weitergebaut, wurde aber gleichzeitig von dem technisch neueren Modell „Afrana Media“ mit CB-Greifer abgelöst. Die neue Marke leitete sich von der berühmten „Biblitoheka Afrana“ ab. Sie befand sich in der heute noch existenten Meissener Eliteschule „Sächsisches Staatsgymnasium St. Afra“ . welche bekannte Persönlichkeiten wie G. E. Lessing und C. F. Gellert als Schüler hatte. Man war bei Biesolt und Locke stolz auf die sächsische Herkunft ihrer Produkte, die viel gesammeltes Wissen erforderten, für das die Bibliothek stand. Tragik der Geschichte, die auf dem Scheiterhaufen verbrannte Märtyrerin St. Afra wird vor allem in Feuersnot angerufen. Die Firma Seidel und Naumann aus Dresden übernahm 1918 die „Afrana“-Markenrechte und verwendete sie noch bis etwa 1925. Ein Zeichen, dass die Maschinen der Firma Biesolt und Locke einen guten Ruf hatten, der sich bis heute bestätigt. Diese Maschine wurde lt. Schieberplattenstempelung beim Händler Paul Meinke in Salzwedel gekauft und befand sich vor dem Verkauf zuletzt im Wendland. Den Händler gibt es nach 110 Jahren nicht mehr.

Stolz prangt das Wappen der „Wettiner als Herzöge und Könige von Sachsen“ rechts auf der Maschine, das heute noch als Sächsisches Staatswappen verwendet wird. Daher kommt der Name „Wettina“. Diese Maschine ist, wie bei vielen heutzutage, der „Resteverkauf“ der weiteren Nutzung des als wertvoll erachteten, gusseisernen Nähmaschinengestells als Ziertisch. Solche Nähtische standen in fast allen Haushalten der noch zur Kaiserzeit geborenen Urgroßeltern-Generation, die inzwischen fast ausgestorben ist. Nur wenige Sammler schätzen die zugehörigen Maschinen, die aufgrund der anfallenden großen Stückzahl zum Schrottwert gehandelt werden, obwohl sie oft noch funktionstüchtig sind. Die mitgekaufte, mit dem Firmennamen „Bisolt und Locke“ verzierte Abdeckhaube aus dampfgebogenem Holz konnte leider wegen starkem Holzwurmbefall und irreparablen Beschädigungen nicht erhalten werden, es wurde noch ein „Abschiedsfoto“ gemacht und die Beschläge und Schlösser ausgebaut, sogar der alte Tretantriebs-Lederriemen lag noch bei. Abgesehen von starken Benutzungsspuren nach ca. 110 Jahren, die auf der Grundplatte fast alle Dekorierung abgetragen haben, ist auch diese Maschine funktionstüchtig erhalten, ohne starke Korrosionserscheinungen, nur ein bisschen Öl fehlte. Auch ein typisches Nadelkissen hing noch an der Maschine, das das W von Wettina etwas abgescheuert hat. Auch ein paar Spulen im Orginalblechkästchen waren dabei. Es fehlt leider die münzenähnliche Hersteller-Messingplakette in der Mitte, das Loch zeugt davon. Für das Foto wurde eine Kopie der Plakette auf das Loch gelegt.

Grüße
Harald
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nicole.boening
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Re: Biesolt und Locke Wettina Medium

#3 Beitrag von nicole.boening »

Herzlichen Glückwunsch zur Maschine - ein echtes Schnäppchen. Und Danke für die Hintergrundinfos!!!
Näh und schraub wie du dich fühlst.

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https://youtu.be/R-8Pf68mo90

Hummelbrummel
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Re: Biesolt und Locke Wettina Medium

#4 Beitrag von Hummelbrummel »

Wirklich hübsch, die alte Dame.

Danke für's Vorstellen.

Woher hast Du die Informationen über mögliches Baujahr und so?
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