Verharztes Fett

Hier können sich neue Mitglieder kurz vorstellen.
Wie seid ihr an das Hobby oder an eure Maschinen gekommen usw.
Wenn ihr uns an euren Maschinen teilhaben lassen wollt, tut das bitte in den entsprechenden Brettern.
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talblume
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Verharztes Fett

#1 Beitrag von talblume »

Verharztes Fett:

Als Fahrradmechaniker habe ich oft mit älteren verharzten, dadurch nicht mehr einwandfrei funktionierenden mechanischen Bauteilen zu tun. Zum Beispiel
Fahrrad-Getriebenaben von Sachs aus den 50er-60ern, Schaltungshebeln von Shimano mit kleinen Federchen und Sperrklinken aus den 70ern usw. Die gleichen Probleme tauchen auch bei optischen Geräten und anderen älteren feinmechanischen Geräten auf. Die verwendeten Fette bei Ferngläsern und Kameras aus den 50ern sind in der Regel nicht langzeitstabil und verharzen:

Polymerketten zerfallen, Oxydation wirkt, oder Säure und Harzanteile verursachen Verkleben der Bauteile. (Bin kein Chemiker sondern Praktiker, woran es im Einzelfall bei den damals verwendeten Schmiermitteln liegt, ist für mich unmöglich herauszukriegen)

Das gleiche Problem gibt’s bei NÄHMASCHINEN

Als erste Massnahme wird gerne ein Kriechöl wie zb WD40, Caramba oder MOS2 oder auch schon mal „Universalöl, löst alles“ verwendet.

Diese Mittel sind durchaus hilfreich, haben aber in der Regel selbst zuwenig Schmierwirkung für Lager, da zu dünn und nicht hochdruckfest. Der Schmierfilm reisst bei höherer Belastung und Lager laufen heiß oder trocken. Schmierwirkung wird allerdings noch durch die Durchmischung mit den alten Fetten/Ölen erzeugt.

In diversen Foren wird oft PETROLEUM zum Reinigen und Gängigmachen von alten Maschinen empfohlen.

Der Super-Vorteil ist tatsächlich, das Petroleum (Vorsicht, das ist ein deutscher Begriff, Inhaltstoffe sind sehr unterschiedlich, siehe „Lampenpetroleum“) nicht komplett enfettet! In der Regel löst Petroleum aber bei längerer Einwirkung einigermassen gut altes Fett. (daher wird es auch gerne in anderen Bereichen z.B. für Motoren und Getriebe zum „Waschen“ verwendet. Die in diesen Bereichen auch oft verwendeten professionellen Kaltreiniger sind mir übrigens für Nähmaschinen übers Ziel hinausgeschossen, verwende ich normalerweise nicht. ) Nach Durchmischung bleibt also bei Petroleum meist immer noch ein einigermassen guter Schmierfilm mit alten Fettbestandteilen erhalten...

Zur wirklich kompletten Säuberung hat sich in der Praxis „Bremsenreiniger“ (aus dem Automobil oder Motorrad-Bereich), stark entfettend, zum Anlösen und Verdünnen alter verharzter Fette bewährt: besteht in der Regel aus Alkoholen zb. Isopropanol und Fraktionsdestillaten zB. Naphta, einfach zu handhaben, gesundheitlich einigermassen unbedenklich, aber nur bei korrekter Anwendung. Meist als Spray (Aerosol), also gut lüften und Anwendungsvorschriften auf jeden Fall beachten! Möglichst nicht Alles Einnebeln, sondern gezielt verwenden.

Anschließend mit modernen Kriechölen bzw. Schmiermitteln etwas nachhelfen, möglichst mit Feststoffanteilen – wie z.B Graphit oder Teflon - (sinnvoll weil dadurch Notlauf-Eigenschaften bei Trockenlaufen oder Heisslaufen (zB. würth HS 5000) Teflon ist allerdings umwelttechnisch nicht unproblematisch...

„Moderne“ Nanopartikel in Schmiermitteln halt ich im Übrigen bei alten Nähmaschinen für völlig daneben! Wir haben schon genug Plastik in den Weltmeeren. (egal was der jeweilige Hersteller verspricht, Finger weg von solchen Schmiermitteln!)

Falls sich überhaupt nix löst:

Extrem kriechfähig und wirksam sind OXYDATIONSLÖSER, wie sie in der Elektronik für vergammelte alte elektrische Kontakte verwendet werden.
(Als Beispiel hochwirksames „Kontaktol“ von Würth,.. bei diversen Anbietern wie Conrad, Reichelt usw. findet man da so allerlei), das Zeug verdunstet dann wieder, ist nur zum Lösen sinnvoll!
Diese Mittel sind meist deutlich kriechfähiger als alle Profi-Rostlöser – diese sollen ja auch noch chemisch Rost unterwandern, den haben wir aber in der Regel bei alter Nähmaschinenmechanik nicht. Hier zweckentfremdet! lösen sie sehr gut verklebte festsitzende unzugängliche Lager...

Natürlich gibt’s noch andere sehr gute Kriechöle von diversen namhaften Herstellern wie z.B. Brunox, RSP , Kontakt Chemie etc.... Spezialisierte Schmiermittelhersteller gibt es etliche. Will sie jetzt nicht alle auflisten... Allerdings in Berufspraxis ziemlich viele getestet, daher Markennamen nur als Orientierungshilfe.

Für den eigentlichen Einsatzzweck sind Oxydationslöser eh zu empfehlen: schlecht arbeitende elektrische Fußpedale, ruckartig anlaufende Motoren etc. das liegt oft an zu hohen elektrischen Widerständen durch oxydierte Kontakte. Mittel wie „Kontaktol“ von Würth oder recht teures „Deoxit“ wirken da aus eigener Erfahrung wahre Wunder!. Ausnahmsweisen Link dazu, der nicht nur Werbung ist: (https://www.ebay.de/gds/Kontaktspray-Ca ... 338/g.html)

Noch ein Tipp:
sogenannte „Fein-öle“ oder auch „Putz-Öle“ wie zb „Atlantic Radglanz“ oder zB. vom niederlänischen Hersteller Cyclon „Poets Olie“ sind sone Art klassische harz und säurefreie Fahrrad und Nähmaschinenöle, nur deutlich! dünnflüssiger, eigentlich nur zum Säubern gedacht... Das bringt sone alte Singer oder Phönix auch außen auf Hochglanz ;-) !

Die vertragen sich in der Praxis aber meist ganz gut in der Durchmischung mit alten Nähmaschinenölen zum Gängigmachen! Einige Mechaniker schwören auf diese „Putzöle“ statt Petroleum oder moderne “Kriechöle“ (wie das bekannteste WD40),
da sie in der Durchmischung mit altem Öl/Fett wohl dünnere, druckfestere Filme ergeben, harz und säurefrei sind und außerdem trotzdem das verharzte alte Zeug gut gängig kriegen.
(der eigentliche Zweck ist ja einen hochfeinen, dauerhaften Glanzfilm zu hinterlassen, daher diese Eigenschaften)

Ballistol wird auch oft empfohlen. Ist ein Paraffinöl bzw Weißöl. Super Zeugs. Zur Langzeitkonservierung von unbehandelten Metalloberflächen sehr erfolgreich, auch als klassisches „Waffenöl“ bekannt. Tolle Schmierwirkung, löst auch ganz gut alte Fette auf.
Gesundheitlich absolut unbedenklich, jedoch würd ich es für alte Nähmaschinen normalerweise nicht verwenden, da die Wechselwirkung zwischen dem „Wachsöl“ und altem unbekannten „Harzöl“ zu erneutem Verkleben führen kann. Ebenso bitte keine Silikonöle!

Gern mal Chemiker-Kommentare, das sind meine Meinung und Erfahrung subjektiv aus der Praxis Fahrrad u Nähmaschine...

(näh mit Haushaltsmaschinen Phönix, Anker, Pfaff, Ideal Brother, Meister, Elna vor allem segel und Planen)

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det
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Re: Verharztes Fett

#2 Beitrag von det »

Hallo talblume,
herzlich Willkommen und vielen Dank für die tollen Tipps in deinem Eingangspost!

Früher sehr häufig, heute nur noch selten zu finden: Fahrrad- und Nähmaschinenhändler/-Mechaniker unter einem Dach.

Atlantic Radglanz habe ich noch im Schuppen stehen, das probiere ich an der nächsten Nähma mal aus smile
Die Zeiten, in denen ich F&S Dreigangnaben aufbereitet habe sind schon lange vorbei rolleyes

Viel Spaß hier wünscht
Detlef
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Museumsfritze
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Re: Verharztes Fett

#3 Beitrag von Museumsfritze »

Klasse, herzlichen Dank für Deine ausführlichen Ausführungen.
Du kannst uns allen eine Freude machen, wenn Du hier Deine subjektiven Empfehlungen gerne als Auswahl mit Produktname und gerne auch Link einstellst. Ist hier erlaubt.
www.naehmaschinenverzeichnis.de
Das virtuelle Nähmaschinenmuseum

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Alfred
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Re: Verharztes Fett

#4 Beitrag von Alfred »

mit verharztem Fett habe ich auch so meine Erfahrungen gemacht, gerade im Hifi Bereich z.B. bei gestgegangenen Drehkondensatoren bei Braun Receivern, ich hatte da immer die heiße Spitze des Lötkolbens auf die Achse gehalten und dann mit Öl geschmiert, ebenso sind Plattenspieler von Dual in de Mechanik fast zu gut gemeint mit einem Batzen Fett zwischen den beweglichen Hebeln versorgt gewesen und sind dann verharzt, oft sind dann bei Wiederinbetriebnahme durch viel Kraft die Hebel kaputt gegangen.
Bei den verschiedenen Herstellern der Öle sollte man sich aber auch die Produktpalette ansehen
Weniger hilfreich für Nähmaschinen ist das "stichfrei" von Ballistol biggrin
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dieter kohl
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Re: Verharztes Fett

#5 Beitrag von dieter kohl »

heart -lich Bild im Forum

wir freuen uns auf einen regen austausch mit dir

Bilder bitte als anhang hochladen
verlinktes verschwindet meistens nach kurzer zeit und macht damit das Thema unbrauchbar
gruß dieter
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Lanora
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Re: Verharztes Fett

#6 Beitrag von Lanora »

Alfred hat geschrieben: Weniger hilfreich für Nähmaschinen ist das "stichfrei" von Ballistol biggrin

Das medizinische Hautöl mit Minze wohl auch eher nicht biggrin
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LG Bianca

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Zu verkaufen : Bernina 117L(mit Zierstichapparat) , Pfaff 260 automatik (mit Sonderzubehör)

AltEisen
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Re: Verharztes Fett

#7 Beitrag von AltEisen »

Hallo,

ich möchte hier kurz noch eine Tube Senf abgeben.
Habe heute mal zwei gleich verharzte Teile parallel mit Bremsenreiniger und B****l ( Weißöl ) behandelt:
Nach drei Stunden Einlagerung war der alte Harzschmodder unter B****leinwirkung einfacher abzulösen.
Das Teil im Bremsenreiniger konnte zwar auch gesäubert werden, aber nicht so effektiv.
Soll jetzt keine Werbung für B****l sein!

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det
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Re: Verharztes Fett

#8 Beitrag von det »

Hallo Alteisen,
ob du für dein Sterchendingens wirbst oder nicht ist mir ziemlich scheißegal (ausnahmsweise und entgegen jedlicher Etikette ausgeschrieben, nicht ausgesternt!) , ich will aber wissen, mit welchem Sternchenzeugs DU gute Erfahrungen gemacht hast!

Also, lass mich nicht dumm sterben!

Soll ich es wirklich mit Bratenöl probieren?

Gruß
Detlef
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GerdK
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Re: Verharztes Fett

#9 Beitrag von GerdK »

Ich unterstütze den Antrag von det.
Nieder mit der Sternchendings-Zensur! Sag, was Du meinst.. biggrin

Viele Grüße, Gerd

P.S.: Mach Dir keine Sorgen, wir kommen dann ins selbe Gulag und können nächtelang über Nähmaschinen reden.. !

gelöschter User N

Re: Verharztes Fett

#10 Beitrag von gelöschter User N »

AltEisen hat geschrieben: Mittwoch 24. Februar 2021, 22:17 Habe heute mal zwei gleich verharzte Teile parallel mit Bremsenreiniger und B****l ( Weißöl ) behandelt:
Nach drei Stunden Einlagerung war der alte Harzschmodder unter B****leinwirkung einfacher abzulösen.
Das Teil im Bremsenreiniger konnte zwar auch gesäubert werden, aber nicht so effektiv.
Soll jetzt keine Werbung für B****l sein!
Harz löst man mit Lauge auf
oder verdünnt mit aggressiver Verdünnung wenn es wasserempfindliche Teile sind.
Aggressive Verdünnung wie z.B. Aceton bzw Ersatzmittel wie Kiesoton o.ä.
vllt mal Backofenspray testen - hat mich mal positiv überrascht.

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